Reisevertrieb

TUI: Sorge um den Malus

Geldsorgen: Die TUI-Agenturen würde der Malus in diesem Jahr hart treffen.

Geldsorgen: Die TUI-Agenturen würde der Malus in diesem Jahr hart treffen. Foto: stock.xchng

Wäre heute Zahltag, würde es für viele TUI-Agenturen richtig teuer

Es hat sich alles so schön angehört im Sommer 2008. Zumindest aus Sicht von TUI. Kleine Agenturen würden mit dem Provisionsmodell für das Geschäftsjahr 2008/2009 mehr Produkt-Incentives erreichen als zuvor. Und große Agenturen könnten auch ohne Wachstum mehr verdienen, wenn sie einen stärkeren Fokus auf Produktbausteine legen.
Das alles interessiert heute nicht mehr. Aus dem geplanten Umsatzwachstum bei TUI Deutschland ist ein Minus von 14 Prozent im Pauschalreisebereich geworden. Und die Prognose einiger Manager, dass rund zehn Prozent Flugkapazität aus dem Markt genommen wird, macht auch nicht gerade Mut. Die B2-Tabelle ist abgeschafft
Selbst wenn 2009 wie erhofft doch noch ein Spätbucherjahr werden sollte – verschwinden wird das Minus nicht. Insofern wundert es kaum, dass die Sorge um den TUI-Malus erwacht. Denn im Gegensatz zum vergangenen Jahr fehlt 2009 der Passus im Agenturvertrag, dass der Reisebüro-Umsatz an dem von TUI gemessen wird. Gerät der Marktführer ins Minus, so hieß es noch 2007/2008 in der so genannten B2-Tabelle, dann darf auch der Vertrieb im gleichen Prozentsatz ins Minus rutschen, ohne dass er Provision zurückzahlen muss.

Ohne diese Regelung sind die Zahlen der B-Tabelle ernüchternd: So fällt ein Classic-Partner mit einem TUI-Jahresumsatz von 500.000 Euro von 10,3 Prozent Provision auf 8,3 Prozent, wenn er 15 Prozent weniger Geschäft als im Vorjahr einfährt. Die Differenz, die bereits von TUI überwiesen wurde, muss zurückgezahlt werden. Gerettet sind nur Agenturen, deren Umsatz maximal fünf Prozent ins Minus rutscht: Für sie gilt der „Toleranzkorridor“, in dem nichts erstattet werden muss.

Nach dem aktuellen Stand der Dinge hat der Wegfall der B2-Tabelle katastrophale Folgen. „Das ist der tödlichste Passus, den TUI je durchgesetzt hat“, wettert Dieter Mettendorf vom Reisebüro Mettendorf in St. Ingbert. Die Hochrechnung eines Kettenchefs: Wäre heute Zahltag, müssten wohl 90 Prozent der TUI-Agenturen einen Malus zahlen. Nicht wenige würden danach Insolvenz anmelden.

Ein unhaltbarer Zustand, meint Walter Hebbel, Chef von 21 gleichnamigen Reisebüros in Nordrhein-Westfalen. Wie viele Kollegen ist auch er davon überzeugt, dass es sich TUI gar nicht leisten kann, ihre Agenturen in diesem Jahr im Regen stehen zu lassen. „Vor allem bei den großen Einzelreisebüros besteht aus TUI-Sicht dringend Handlungsbedarf“, so Hebbel.

Auch Klaus Daccache, Aufsichtsratschef bei LCC und Geschäftsführer von acht Reisebüros, sieht den Marktführer in der Pflicht: „Wenn TUI nicht reagiert, wird ihr der Vertrieb in großem Stil wegbrechen.“ In diesem Jahr müssten sich alle Veranstalter „bewegen – allen voran aber TUI“. Die Frage sei nicht, ob TUI reagiert, sondern wann und in welcher Form.

Dass der Krisenrettungsanker B2-Tabelle nicht mehr existiert, begründet TUI mit den Zwängen der Londoner Börse. Sie verbieten das regelmäßige Veröffentlichen der Umsätze. Und ohne die könnten Reisebüros nicht einschätzen, wo sie im Vergleich zur TUI-Entwicklung gerade liegen. TUI gibt das Jahr noch nicht auf
Ohne an dieses Argument zu glauben, sind viele Reisebüro-Inhaber überzeugt davon, dass in Hannover schon kräftig gerechnet wird. Offiziell gibt es aus Hannover derzeit nur Durchhalteparolen: „Wir geben das Jahr noch lange nicht auf“, verweist Vertriebschef Hasso von Düring auf eine „positive Tendenz“ der Buchungseingänge in den vergangenen Wochen.
Matthias Gürtler
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