Indonesien

Bali: Zu Gast bei den Brahmanen

Tempelfeste gehören zu den Höhepunkten des Lebens auf Bali.

Tempelfeste gehören zu den Höhepunkten des Lebens auf Bali. Foto: aze

Eine Rundreise mit Familienanschluss bietet Einblicke ins Alltagsleben

„Selamat Datang – herzlich willkommen.“ Gus De, Nachfahre einer noblen Brahmanenfamilie, holt seine Gäste persönlich vom Flughafen ab. Das sei für ihn immer mächtig spannend, gesteht der junge Mann, denn er habe ja kein Hotel, sondern teile sein Haus einige Tage mit Fremden, die zu Freunden werden sollen. Der Gast erlebt bei diesem Aufenthalt Bali sozusagen mit den Augen der Einheimischen, lernt Eltern, Großeltern und eine etwas unübersichtliche Zahl von Verwandten kennen. Doch erst einmal stehen wir vor einer Werkstatt, in der eine Schar von Holzschnitzern konzentriert hämmert, hobelt und schmirgelt. Gus Des Vater, Ida Bagus Wehda, ist ein bedeutender Exporteur balinesischer Schnitzereien. Schließlich ist Mas das Dorf der berühmten Holzschnitzer. Putri, Gus Des Frau, winkt zum Erfrischungstrunk in den Innenhof. Dort umfängt uns himmlische Ruhe: Wie in jedem balinesischen Gehöft reihen sich einige kleine Häuser um den Festpavillon, zur Bergseite hin glänzen rotgolden die Schreine des Haustempels. Und hinter „unserem Häuschen“ dehnen sich Reisfelder bis zum Palmenwald. Ganz nach Wunsch und Wetter stellt man mit Gus De sein Programm zusammen. Heute geht es nach Klungkung zu der berühmten Gerichtshalle Kerta Gosa mit den drastischen, farbenfrohen Deckengemälden. Dieses touristische Muss wird auch bei jeder normalen Rundreise angesteuert – bei Gus De aber gibt es Geschichten zur Geschichte. Sein Vater habe ihn als Buben vor die Bilder geführt und erklärt, welche der schrecklichen Strafen bei welchen Missetaten folgen würden. Und auf einem der sechs kunstvoll geschnitzten Stühle, die dort noch immer um einen Tisch stehen, saß Putris Großvater als Gerichtsschreiber. Bis 1950 urteilten hier drei hohe Brahmanen im Namen des Fürsten über Fälle, die nicht in der Dorfgemeinschaft geschlichtet werden konnten. Es wird schon dunkel – Zeit für einen Streifzug über den Nachtmarkt von Ganjar, der auf dem Weg liegt. Hier gibt es keine Souvenirs, aber alles, was eine balinesische Hausfrau braucht: Gemüse, Geschirr, Kleidung und jede Menge Opfergaben für die Haustempel. Dazu Imbissstände aller Art. Wir wagen uns an Babi Guling, Spanferkel mit knuspriger Haut – und es bekommt uns bestens. Alle Tage bietet Gus De Sehenswürdigkeiten mit dem gewissen Extra: Die Elefantenhöhle Goa Gajah zum Beispiel besucht man, lange bevor die Touristenbusse eintreffen, spaziert von dort am Fluss entlang und durch kleine Dörfer zu einem uralten Felsrelief. So erlebt man ganz nebenbei ein Stück balinesischen Alltag: ein Plausch beim Krämerladen, Frauen waschen am Fluss Wäsche, Kinder treiben Enten auf die abgeernteten Reisfelder, hinter Tempelmauern probt ein Gamelan-Orchester. Egal, zu welchem Zeitpunkt man nach Bali kommt, irgendein Fest findet immer statt. So konnten wir mit Gus Des Familie die großen Feste in den Tempeln am Fuß der Vulkane Agung und Batur erleben, zu denen fast jeder Balinese pilgert. Während der elf Tage währenden Feierlichkeiten kommen keine Touristenfahrzeuge zu diesen Hauptsehenswürdigkeiten durch. Sie stehen dann nur den Gläubigen offen – und den adrett balinesisch gekleideten Gästen der Brahmanenfamilie.
Monika Zeller
Anzeige