Syrien

Syrien: Auf biblischen Spuren

In der Omayyaden-Moschee in Damaskus sollen sich Knochen von Johannes dem Täufer befinden.

1.000 Geschichten 10.000 Jahren Geschichte

Allein schon eine Syrien-Reise wert: die Ruinen von Palmyra. Fotos: heu

Die älteste durchgehend bewohnte Hauptstadt der Welt soll Damaskus sein. Das versichert Ahmed Khaddour, der früher als Ingenieur gearbeitet hat und heute als Fremdenführer sein Geld verdient.

Ob es stimmt? Als sicher gilt, dass die Oasenstadt am Fuße des Antilibanongebirges rund 10.000 Jahre menschliche Siedlungsgeschichte vorweisen kann. Andere Behauptungen der Damaszener sind schwieriger nachzuprüfen. Etwa, dass der Prophet Abraham in der Stadt geboren sei, und dass Kain seinen Bruder Abel auf dem Hausberg der Stadt erschlagen haben soll. Eine weitere Verbindung zur Bibel: die Überreste der Kopfknochen von Johannes dem Täufer. Sie befinden sich angeblich in einem Schrein in der Omayyaden-Moschee und werden von Christen wie Muslimen gleichermaßen verehrt.

Die Moschee bündelt die Geschichte der Stadt und der Region. In der aramäischen Zeit befand sich an ihrer Stelle ein Tempel. Später huldigten die Römer am gleichen Ort ihrem Gott Jupiter – und in der byzantinischen Ära erbaute man hier eine Kirche zu Ehren Johannes des Täufers. Danach wurde Damaskus muslimisch, und Kalif al-Walid errichtete an der gleichen Stelle eine Moschee. „Er wollte die prachtvollste Moschee der islamischen Welt bauen“, berichtet Khaddour. Es ist ihm gelungen.

Die beeindruckendsten Ruinen Syriens befinden sich 240 Kilometer nordöstlich von Damaskus, im legendären Palmyra. Dort wurde vor rund 2.000 Jahren ein gewaltiger Tempel erbaut. Seine Außenmauer hatte einen Umfang von 200 mal 300 Metern. Die Reste dieses Baal-Tempels sowie Überbleibsel eines römischen Amphitheaters und einer Kolonnadenstraße lassen kaum einen Besucher kalt.

Die gut erhaltenen, aber auch zum Teil wieder aufgebauten Triumphbögen, Säulenstraßen, Tempel, Turmgräber und das Theater beeindrucken durch die Baukunst als solche, aber auch durch den Kontrast zwischen der zivilisatorischen Meisterleistung und der unwirtlichen Wüste ringsum.Natürlich hat auch Palmyra, die palmenreiche Oase auf halbem Weg zwischen Euphrat und Mittelmeer, viele Geschichten zu erzählen: Etwa von der Königin Zenobia, einer intelligenten und gleichzeitig bezaubernd schönen Frau, die ein gewaltiges Reich aufbaute und sich sogar mit dem mächtigen Römischen Reich anlegte. Als sie für sich und ihren Sohn auch noch die Kaiserwürde beanspruchte, legte sich Kaiser Aurelian quer: Im Frühjahr 272 ließ er Zenobia gefangen nehmen und verschleppte sie nach Rom.

„Man erzählt, dass Zenobias Hände mit goldenen Ketten gefesselt waren, als sie durch die Straßen Roms geführt wurde – und dass ihr kurz darauf der Kopf abgeschlagen wurde“, berichtet Khaddour. Doch diese Schilderung ihres Todes ist natürlich nur eine Version der Geschichte?...
Rainer Heubeck