Oman

Kamele im Nebel

In der Monsunzeit liegen dichte Nebelschleier über der Dhofar-Region.

Oman: Eine Reise durch die Dhofar-Region im Süden des Sultanats führt durch Regenschleier und Weihrauchschwaden

Von den Blowholes am Strand von Mughsail (unten) bis zum Weihrauchverkauf in Salalah: Reiseführer Hassan zeigt Touristen den Süden des Sultanats Oman. Fotos: pa

Auf die kamelbraune Wüste sinken seidige Regenschleier, die Überlandstraße endet im Dunst. Anzeichen von Leben nirgendwo. Oder doch? Ein Kamel löst sich aus dem Nebelvorhang: königliches Schreiten, geschwungener Hals, schlabbernde Schnute.

Es ist Monsunzeit in der Dhofar-Region im Süden Omans. Von Ende Juni bis September benetzt eine feine Himmelsdusche die lechzende Natur, die Temperaturen sinken auf unter 30 Grad. Touristen aus anderen Teilen der Arabischen Halbinsel retten sich dann hierher. Sie suchen Asyl vor der brutalen Hitze – und lieben Picknick im Regen. Auch Besucher aus kühleren Zonen profitieren von dem klimatischen Ausnahmezustand: Die Vegetation in den Bergen erblüht zu irisch-grünen Teppichen, und das Arabische Meer bordet über.

Am Strand von Mughsail, rund 20 Kilometer westlich von der Provinzhauptstadt Salalah, schäumt die Gischt meterhoch gegen grünbärtige Felsen, drängt in Meereshöhlen und schießt als Fontänen aus den Steinen. Die „Blowholes“ sind ein geologisches Schauspiel, das weltweit nur selten zu beobachten ist. Das Ministerium für Tourismus appelliert mit einem Schild: Besucher mögen nichts mitnehmen außer Erinnerungen. Und nichts hinterlassen außer Fußabdrücken.

Die Regierung von Oman, Sultan Qaboos, will den Fremdenverkehr nachhaltig gedeihen lassen. Auch aus werbestrategischen Gründen, denn es gilt das Image des „authentischen Arabiens“ zu bewahren. Ein Unterscheidungsmerkmal zum Nachbarn Dubai, der sich mit baulichen Superlativen als Übermorgenland positioniert, frei nach dem Motto: „Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt!“ – mit künstlichen Inselwelten, himmelstürmenden Hoteltürmen und einer Skihalle im Wüstenglutofen.

Doch auch für Salalah, die „Leuchtende“ mit 15 Kilometern feinem Sandstrand allein im Stadtgebiet, liegen Pläne in den Schubladen. Der Flughafen der zweitgrößten Stadt des Landes soll ein neues Terminal erhalten, an dem auch Riesenvögel wie der Airbus A380 landen können, und Hotelprojekte für die Region gibt es viele. Noch sind Plätze in der ersten Reihe zuhauf vorhanden.

Maßstäbe für die neue Hotelgeneration setzt das Marriott bei Mirbat, eine knappe Stunde von Salalah entfernt, das im vergangenen Jahr eröffnet hat. Es verfügt über den angeblich größten Pool des Landes, hat den Strand direkt vor der Tür – und weit und breit keine Konkurrenz. In der Anlage werden die Standards der US-amerikanischen Hotelkette mit Lokalkolorit kombiniert: üppige Dekoration mit orientalischer Note. Die Wellness-Abteilung heißt „Frankincense Spa“, setzt aber auf asiatische Massagetechniken statt auf Weihrauchschwaden.

Weihrauch, das Gold der Antike, dafür ist die Dhofar-Region bekannt. Die Ruinen von Khor Rori bei Salalah legen Zeugnis über einen mächtigen Umschlagplatz ab. In den zum Unesco-Welterbe erklärten Steinresten muss es einst logistisch hoch hergegangen sein: Eine Schautafel zeigt die Handelswege quer über die Weltkugel auf. Von Asien bis an den südlichen Zipfel Afrikas wurde das duftende Baumharz verschifft. Auf dem Landweg zogen die Kamelkarawanen über die 3.500 Kilometer lange Weihrauchstraße bis an die Mittelmeerküste, um die Kirchen des Abendlandes mit ihrem kostbaren Gut zu beglücken.

Die Weihrauchgoldader von Oman verläuft an den Ausläufern des Dhofar-Gebirges. Dort wurzelt der Weihrauchbaum, ein knorriger und kleinwüchsiger Geselle. Wird er mit Schnitten verletzt, tritt das Harz wie Marshmallow-Masse aus der Rinde.

Auf dem Souk von Salalah werden veredelte Räuchermischungen feilgeboten: Weihrauch mit Myrrhe, Sandelholz und Blütenessenzen. Wie der Nebel über der Wüste hängt der Duftschleier in den Läden. Weihrauch, in Wirklichkeit bernsteinfarben statt golden, gibt es hier für jeden Geldbeutel: Je heller die Ware, desto hochwertiger. Auch das „teuerste Parfüm der Welt“ wird hier angepriesen, „Amouage“, erhältlich in den Nuancen süßlich-schwer, schwer-süßlich und schwer-schwer-süßlich mit holzigem Abgang.

Kamele sind heute nicht mehr zum Transport des heiligen Räucherwerks abgestellt. In der Dhofar-Region stromern mehr als 70.000 Wüstenschiffe herum, sie dienen als Milchquelle und dem Volkssport: Kamelrennen.
Pilar Aschenbach