Abu Dhabi

Schwimmen im Meer aus Sand

Koloss im Festungs-Look vergangener Tage: 5.000 Bauarbeiter errichteten das Wüstenhotel Qasr al-Sarab in nur drei Jahren.

Unterwegs in der Wüste Rub al-Khali tief im Hinterland

In beiden Welten zu Hause: Ali al-Mansouri stammt aus der Wüste und hat eine Villa mit Pool in Abu-Dhabi-Stadt. Fotos: hs

Beim Abendessen im Sand der Dünen gibt es nur noch zwei Geräusche. Das eine ist das Knistern des Lagerfeuers, das andere der Klang der Saiten einer Oud, eines bauchigen traditionellen Musikinstruments. Tagsüber war es nichts als ein Rauschen, das in der Luft lag - obwohl es in der Rub-al-Khali-Wüste keine Blätter gibt. Es war wie das Plätschern eines Wasserfalls - obwohl es hier kein Wasser gibt.

Allein der Wind war schuld. Ständig sortierte er die Körnchen des Sandes neu. Er rieb sie aneinander, scheuerte damit an den Zeltplanen und der vergessenen Mauer aus Lehm keine zweihundert Meter von der Feuerstelle des Abends. Nun ist der Wind gegangen und versucht sich für die nächsten paar Stunden nicht mehr als akustischer Illusionskünstler.

Ali al-Mansouri lauscht den tiefen Klängen der Oud, schaut versonnen in Richtung Feuerstelle und stochert mit einem Stock in der Glut. Der Mann mit dem pechschwarzen Vier-Tage-Bart erinnert sich noch gut daran, als seine Eltern hier mit Kamelen und Zelten durch die Wüste zogen - und er in diesem riesigen Sandkasten weit im Hinterland von Abu Dhabi mit seinen Brüdern spielte und Gazellen beobachtete.

Rub al-Khali ist die größte zusammenhängende Sandwüste der Erde mit gut 650.000 Quadratkilometern Gesamtfläche. Sie reicht von den Emiraten bis weit nach Saudi-Arabien hinein, erstreckt sich bis nach Oman und Jemen und bedeckt etwa ein Viertel der Arabischen Halbinsel. Sie fühlt sich freundlich an, wenn sie zwischen den Fingern hindurchrinnt: kühl und fast klamm am Morgen, warm schon kurz danach. Aber am Nachmittag ist sie zu heiß, um barfuß dort zu laufen.

Der Sand wirkt wie geharkt, kunstvoll mit Ornamenten im Kies versehen wie ein japanischer Ziergarten: so akkurat hergerichtet, dass man die Dünen anfangs gar nicht betreten mag, um nur ja nicht das schöne Muster zu zerstören. Dabei malt der Wind es beständig neu und überpinselt jede Fußspur in Minuten, radiert jeden Pfad binnen weniger als einer Stunde aus.

In früheren Zeiten haben die Nomaden auf ihren Reisen zwischen all dem Sand wie auf dem Meer navigiert. "Wir haben die Karawanen anhand der Sterne gelenkt", erzählt Ali al-Mansouri. "Und wenn du dich hier auskennst, dann bietet dir die Farbe des Sandes Hilfestellung so wie der Seemann etwas aus der Farbe des Wassers über Tiefen und Untiefen sowie Strömungen herauslesen kann. Und die Grenze zu Saudi-Arabien erkennen wir an einer Pflanze, die schon immer nur dort wuchs und die wir al-Haz nennen."

Was er heute beruflich macht? Ali hat eine Kamelfarm in den Dünen und beschäftigt drei afghanische Hirten, die dort in Jurten im Sand leben und sich um die Tiere kümmern. Und er führt Urlauber aus dem Luxus-Wüstenhotel Qasr al-Sarab in die Geheimnisse der Wüste ein, erzählt beim Lagerfeuer abseits des Hotels von damals und heute.

Und was ihn besonders freut? "Immer wieder zuzuschauen, wie jetzt Fremde von weither unsere Wüste entdecken", sagt er. "Wie sie vorsichtige Schritte in den Sand machen. Wie sie die Körnchen durch ihre Finger rinnen lassen und mit dem Sand spielen. Sie sind zart zur Wüste. Weil sie so beeindruckt sind von der Kraft dieser Landschaft."
Helge Sobik
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