Abu Dhabi

Mona Lisa im Meer aus Sand

Beeindruckend: So soll der Kulturdistrikt auf Saadiyat Island einmal aussehen. Foto: TCA Abu Dhabi

Unterwegs im entstehenden Kulturdistrikt auf Saadiyat Island

Als die Sonne aufging, lagen die Nerven noch blank. Als ihre Strahlen auf das leicht gewölbte Dach mit seinen 15 Metern Durchmesser trafen, hatten alle Herzklopfen. Und als es hell wurde in dem mehrstöckigen Gebäude mit den improvisierten Metallwänden und nach und nach seltsam geformte Ornamente auf dem Fußboden auftauchten, da fielen sie sich in die Arme: Architekten, Bauleiter und arabische Financiers auf der Insel Saadiyat, kaum mehr als einen Steinwurf von der Baustelle des künftigen Louvre von Abu Dhabi entfernt.

Was sie diesen Morgen miterlebt hatten, war der Praxistest einer Vision: Es ging darum, ob die Rechnung von Star-Architekt Jean Nouvel aufgeht, den kreisrunden Louvre einzig durch ornamentöse Aussparungen im Kuppeldach zu beleuchten.

Um all das herauszufinden, hat man in Sichtweite der Sheikh Khalifa Bridge bereits eigens einen kleinen Ausschnitt des Gebäudes in Originalgröße errichtet. Der mit Spannung erwartete Test des „Rain Light Building“ verlief zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten.

„Ich wollte ein Dach wie einen Schirm, um darunter einen Ort zu schaffen, an den man gerne kommen mag“, beschrieb Nouvel seine Idee: „Wie früher im Souk soll das werden, wenn Sonnenstrahlen plötzlich durch die Abdeckungen aus Strohmatten über den Gassen hereinbrechen.“

Der Bau des Originals mit seinen gewaltigen 180 Metern Dachdurchmesser im milliardenteuren Kulturdistrikt auf der Insel Saadiyat, wo bis vor Kurzem nur Sand und Mangroven waren, hat begonnen. Bereits für 2015 ist die Eröffnung geplant.

Und während Nouvel den Louvre baut, ist Frank O. Gehry für das Guggenheim-Museum, Sir Norman Foster für das Sheikh Zayed National Museum, Zaha Hadid für das Center for Performing Arts und Tadao Ando, Pritzker-Preisträger wie alle anderen aus dieser illustren Runde, für das Maritime Museum zuständig. Die Entwürfe sind durchweg spektakulär geraten.

Die weiter ausgefeilten Modelle, teils bereits mit Beleuchtungseffekten zum Leben erweckt und sogar schon von virtuellen Besuchern durchströmt, werden inzwischen im Ausstellungszentrum Manarat Al Saadiyat gezeigt. Sie erfreuen sich bei Touristen großer Beliebtheit, während drumherum Schaufelbagger unterwegs sind, Lastwagen vor Schranken und Pförtnerhäuschen Schlange stehen und Kräne kreisen.

Und anders als in Dubai, wo wiederholt erst ein Mega-Bauwerk in Windeseile hochgezogen wurde und erst anschließend die nötige Infrastruktur ergänzt wurde, ist hier all das bereits fertig, was notwendig ist: bis zu zehnspurige Straßen über die Insel, die Anbindung Richtung Flughafen und zur Autobahn, die Brücke hinüber nach Abu-Dhabi-Stadt, erste Ferienhotels der Edelmarken St. Regis und Park Hyatt entlang des neun Kilometer langen Sandstrandes, dazu Hunderte Villen und ein Golfplatz.

Ursprünglich sollte die Erschließung Saadiyats mit allem drum und dran 20 Milliarden Dollar kosten. Inzwischen geht man von 27 Milliarden aus – ein Drittel davon wird allein der Kulturdistrikt verschlingen.
Helge Sobik