Japan

Schlichter schlafen

Entspannt: Mit dem Yukata darf man auch auf die Straße gehen.

Leere ist Luxus im traditionellen Ryokan

Das gemeinschaftliche Abendessen ist im Preis inbegriffen. Fotos: fh

Der erste Blick in die Zimmer verunsichert auch hartgesottene Reisende: Tatami-Matten aus Reisstroh, kniehohe Tischchen und Sitzkissen, Schiebetüren aus Papier – nur das Bett fehlt. Platz wäre ja schon. Die Zimmer der traditionellen Ryokan-Unterkünfte sind erstaunlich groß, oft reihen sich gleich mehrere Räume aneinander, inklusive einer kleinen Loggia mit Sessel – damit der Gast bei der Betrachtung des Gartens seelische Entspannung finden kann.

Das ungewohnte architektonische Understatement im sonst so vollen Japan hat System. Diskrete Farben, Blumengestecke, jedes Detail ist sorgfältig ausgewählt – schön anzusehen ohne den Geist zu strapazieren. Viele der Ryokans verfügen nur über wenige Zimmer und glänzen mit persönlichem Service. Selbstverständlich werden die Mahlzeiten im Zimmer serviert, sind die dienstbaren Geister immer dezent zur Stelle.

Kein Wunder, dass die Ryokans nicht nur als Vollendung der Gastfreundlichkeit gelten, sondern auch nicht gerade als Schnäppchen durchgehen. Günstige Varianten müssen zwar nicht zwingend teurer sein als herkömmliche Hotels, exklusive Etablissements kommen jedoch auch schon mal auf mehrere Hundert Euro pro Nacht. Wer sich für den Ryokan entscheidet, bekommt die geballte japanische Kultur‧ladung gleich mit dazu – und eine Menge Regeln.

Die wichtigste lautet: Schuhe aus! Vor der Eingangstür lässt der Besucher seine Straßenschuhe zurück, die er gegen Hotel-Slipper austauscht. Für den Gang zur Toilette wiederum werden Extra-Schuhe bereitgestellt. Weil westliche Besucher allesamt die Disziplin des Schuhwechsels nicht beherrschen, sind manche Ryokans dazu übergegangen, die Toilettenslipper knallrot einzufärben und mit einem WC-Zeichen zu bedrucken.

In anderer Hinsicht erweist sich der hochpreisige Ryokan jedoch als weitaus lockerer, als der westliche Gast vermutet: Auf den Zimmern findet man immer auch ein Tablett mit allerhand Utensilien. Einen Baumwoll-Yukata zum Beispiel, der entfernt an einen Bademantel erinnert. Zum Abendessen wandeln viele Gäste im Yukata durchs Haus oder hängen sogar noch einen Abendspaziergang im Ort dran.

Das macht, gelinde gesagt, einen sehr entspannten Eindruck und will nicht recht in das Bild der steifen Japaner passen. Praktisch ist es allemal. Denn vor wie nach dem Essen steht meist eine Runde im gemeinschaftlichen Bad an, das meist aus einer der zahllosen heißen Quellen gespeist wird.

Selbstverständlich geht es auch beim gemeinschaft‧lichen Abendessen traditionell zu. Kaiseki, also gehobene japanische Küche, wird im Ryokan gereicht, mit Gemüse und Früchten der Jahreszeit. Die vielen kleine Schüsselchen und Schälchen sehen ansprechend aus – und erweisen sich doch oft als kulinarisches Waterloo des Reisenden. Denn auf dem Boden kniend mit Stäbchen essen ist nicht jedermanns Sache.

Zurück im Zimmer, atmet der ausländische Besucher erleichtert auf. Es gibt doch ein Bett! Fast zumindest. Denn im Ryokan wird auf Futons geschlafen, die die Service-Kräfte während des Abendessens blitzschnell aufbauen. Skepsis ob der Bequemlichkeit ist unnötig: Futons sind, ehrlich und versprochen, bequemer als sie aussehen. Nur die Sache mit dem Mittagsschläfchen gestaltet sich im Ryokan schwierig – nach dem Frühstück wird die Matratze wieder im Schrank verstaut.

Françoise Hauser

Japan um die Ecke
Wer für die Nacht im Ryokan nicht um den halben Globus fliegen will, wird auch in der Schweiz fündig: Hinter dem eher traditionellen Namen Hotel Hasenberg (www.hotel-hasenberg.ch) verbirgt sich, 20 Kilometer von Zürich entfernt, ein waschechter Ryokan unter japanischer Leitung.

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