Ras Al Khaimah

Die kleine Schwester

Die Wüste Ras Al Khaimahs ist dank der genügsamen Akazien recht grün

Ras Al Khaimah: Im Schatten Dubais entwickelt sich eine neue Destination, die sich vor allem für Strand- und Aktivurlauber eignet

Jedes Strandhotel bietet ein umfangreiches Angebot an Wassersport

Das Wüsten-Resort Banyan Tree Al Wadi betreibt eine große Vogelzucht. Fotos: Ras Al Khaimah Tourism Authority

Beziehungen unter Geschwistern sind nicht immer konfliktfrei. Unter Schwestern schon gar nicht. Das ist bei Menschen nicht anders als bei Eulen. Und so sitzen die beiden gefiederten Damen auch in gebührendem Abstand voneinander in ihrem weitläufigen Gehege im Hotel Banyan Tree Al Wadi mitten in der goldenen Wüste Ras Al Khaimahs und beäugen sich misstrauisch.
Oben auf der Stange thront die große, stattliche und stolze Eule, unten im Sand pickt ihre kleine und etwas zerzaust aussehende Schwester im Sand. „Wir haben die beiden Google und Yahoo genannt“, berichtet Virginia Besancon vom Banyan Tree Al Wadi. „Die kleine Yahoo schielt immer eifersüchtig zur großen Google hoch und weiß dennoch, dass sie nie an sie heranreichen wird.“
Dieses Verhältnis lässt sich in gewissem Maße auf die beiden Emirate Dubai und Ras Al Khaimah übertragen. Während das Partygirl Dubai funkelt, glitzert und einen Superlativ nach dem nächsten für sich beansprucht, fällt die stille Schönheit Ras Al Khaimah vor allem durch ihre Unauffälligkeit auf.
Was aber gar nicht schlecht sein muss. Denn hier ist das Leben noch weitaus ruhiger und gelassener als in der Glitzermetropole. Die Hotels sind mindestens ebenso gut, dafür aber deutlich günstiger, die Strände leerer und das Hinterland mit dem Hadschar-Gebirge, das sich bis nach Oman erstreckt, weitaus attraktiver. „Wir wollen gar nicht den höchsten Turm und die größte Mall bauen, sondern Erlebnisse anbieten, die man nicht mehr vergisst“, sagt denn auch Haitham Mattar, Vorsitzender der örtlichen Tourismusbehörde. 
Die Konkurrenz zu Dubai ist dennoch allgegenwärtig, das spürt man bei nahezu jeder Begegnung. „Unsere Wüste ist goldener und grüner als die in Dubai“, sagt der Fahrer des Jeeps. „Die Einheimischen sind offener und kontaktfreudiger als die in Dubai“, berichtet der Fremdenführer. „Bei uns gibt es viel mehr Möglichkeiten für Aktivurlauber als in Dubai“, berichtet der Guide der Paddeltour. Man merkt: Die kleine Schwester will zumindest einen kleinen Schritt aus dem Schatten der großen heraustreten und rührt eifrig die Werbetrommel.
Einen Superlativ jedenfalls kann Ras Al Khaimah, was wörtlich übersetzt „die Zeltspitze“ heißt, für sich beanspruchen: Der Jebel Jais ist mit mehr als 1.900 Metern der höchste Berg der Emirate und von den Stränden aus in nur einer Autostunde zu erreichen. Wenn die Temperaturen von Oktober bis April erträglich sind, finden Wanderer, Kletterer und Mountainbike-Fahrer dort eine touristisch noch weitgehend unerschlossene Spielwiese. Im Winter werden sogar Camps mit Canyoning-Touren angeboten.
Anders als im normalen Leben muss man sich bei den beiden Schwestern Dubai und Ras Al Khaimah nicht für eine von beiden entscheiden. Dank der Autobahn zwischen den Emiraten lassen sich die Vorzüge beider Destinationen hervorragend miteinander kombinieren. Wie lange man wo bleibt, ist dann letztlich nur eine Geschmacksfrage.
Susanne Layh