Thailand

Bangkok: Die Geheimnisse des Apothekers

Die Yaowarat Road ist die Hauptstraße des chinesischen Viertels

Chinatown ist ein kleines Reich der Mitte

Business-Utensilien für das Jenseits: Die Grabbeigaben sind Attrappen aus Plastik und Pappe. Fotos: jm

Auf der Sampeng Lane, eine ewig lange, schmale Gasse und seit jeher die Pulsader des chinesischen Marktes, läuft ein frisch geköpftes Huhn noch ein paar Meter den Marktgang entlang, ehe es tot umfällt. In roten Geschenkkartons werden die wichtigsten Utensilien für Todesfälle verkauft: Eingepackt sind Papiergeld, Handy-Attrappe, Goldschmuck aus Karton, Räucherstäbchen, eine Plastikuhr sowie sogar ein Taschenrechner für die ersten Geschäfte im Jenseits. Ein junger Mann betritt mit einer lebenden Schlange um den Hals ein Lokal, um sich und seinen Freunden die Delikatesse zubereiten zu lassen. 

China gilt als Herkunftsland der Thai. Sie machten aber nur Anleihen bei der chinesischen Zivilisation und schufen eine eigenständige Mischkultur. Nirgendwo auf der Welt sind die Chinesen, die sich sonst in den Großstädten in ihr unverwechselbares, abgeschlossenes Chinatown-Schneckenhaus zurückziehen, so integriert wie in Thailand. Rund sechs Millionen von ihnen leben im Königreich. Und nur das geübte Auge erkennt einen Thai-Chinesen. Die Nachkommen der frühen Händler sprechen häufig nicht einmal mehr Mandarin. 

Auf den ersten Blick verraten nur die chinesischen Schriftzeichen der Reklameschilder, wo man sich befindet. Ansonsten brausen die Tuk Tuk umher wie anderswo in der Stadt, die Gehwege sind vollgestellt mit Ständen und Garküchen. Der Hauptbahnhof Hua Lumphong zeigt sich in Kolonialstilarchitektur, und der Buddha von Wat Traimit glänzt aus purem Gold. 

Zwischen all den Gassen tutet der mobile Eismann, klingelt die alte Verkäuferin, die ihren Ziehwagen mit Obst, Säften und Süßigkeiten ebenfalls heil durch die Menge bringt. Geschubst wird nicht. Die Menschen gleiten mit asiatischer Geschmeidigkeit aneinander vorüber. Man spürt förmlich, dass die Leute die Enge und die Massen von Menschen seit jeher gewöhnt sind. 

Die Hauptstraße, die Yaowarat Road, folgt den Kurven eines Drachenschwanzes und macht ihn deshalb zu einem idealen Standort für Geschäfte. Die Restaurants bieten Haifischflossen- oder Vogelnestsuppe an. Und in den Apotheken rätselt der Besucher über allerlei in Gläsern ausgestellte Ingredienzien. „Seepferdchen“, erklärt Wang, der chinesische Doktor und Apotheker der Bird’s Nest Farmacy in der Yaowarat Road, „legt man zwei Wochen in Alkohol ein. Dann isst man sie, um Nierenprobleme zu lindern.“ Ein Stück kostet zwei bis 20 Euro, etwa für ein 25 Zentimeter großes Prachtstück. 

Es gibt auch Froschschenkel, Schlangenköpfe und teure Vogelnester. Besonders exklusiv ist aber Fischmagen: „In einer Suppe gekocht, gibt er fast alle nötigen Vitamine und reinigt die Leber“, sagt Wang. 250 Gramm können bis zu 1.000 Euro kosten. 

Westlicher Lifestyle hat zwar ein wenig von Chinas alter Kultur, wie Teezeremonien und TCM, für Gesundheit und Wohlergehen entdeckt, ist aber scheinbar doch noch nicht in die tieferen Geheimnisse des Apothekers in der Yaowarat Road vorgedrungen.

Jochen Müssig
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