China

Guizhou: Auch für Chinesen exotisch

Kanäle und Holzhäuser in Zhaoxing

Die Provinz gehört zu den ursprünglichsten Regionen Chinas

Ethnische Mischung: Viele der Alten sprechen kaum Hochchinesisch

Kopfrasur mit der Reissichel in Basha. Fotos: pra

Über die dunstverhangenen Berge schiebt sich die aufgehende Sonne und taucht die Wasserdecke der Reisfelder in sanftes Gold. Im Gegenlicht ziehen zwei Bäuerinnen Richtung Dorf, auf ihren Schultern Tragekörbe üppig gefüllt mit Gemüse. Eine stille Morgenidylle wie gemalt.
Hier in Zhaoxing ist das alte, ländliche China offenbar noch intakt. Die Kanäle werden von schmucken traditionellen Holzhäusern gesäumt und in regelmäßigen Abständen von gedeckten Brücken gequert. Auf den eingelassenen Bänkchen sitzen die Alten zusammen, schauen herum und plauschen. Neugierig beäugen sie die vorbeigehenden Ausländer und schenken ihnen ein zahnloses Lächeln. Ein Foto? Freundlich wird die Hand zur Abwehr gehoben: Nein, lieber nicht.
Plötzlich knallt es. Um die Ecke biegt eine Menschenmenge, die mit Feuerwerkskörpern und Flöten die Stille durchbricht. In ihrer Mitte trägt ein gutes Dutzend Männer einen mächtigen ausgehöhlten Baumstamm, in dem, von einem Tuch bedeckt, ein Leichnam liegt. „Eine Beerdigung“, erklärt unser Reiseführer Wang Lu. „Mit dem Feuerwerk werden die guten Geister zum Grab gerufen.“
Der Zug gerät ins Stocken, einige der Trauernden mit weißen Tüchern um den Kopf halten den Sarg auf, wollen den Toten nicht ziehen lassen. Doch dann zieht die merkwürdige Prozession wieder weiter, hinaus zum Bergfriedhof, unter Knallen und Tröten und im ständigen Hin und Her.
Fremdartige Bräuche wie diesen erleben wir allenthalben in der Provinz Guizhou. Denn die ländliche Region ist eine der buntesten Gegenden Chinas, bevölkert von über 50 nationalen Minderheiten wie den Miao und den Dong. Jedes Dorf hat seine eigenen Traditionen, Trachten und Riten, bunt, exotisch, manchmal auch verstörend. Wang Lu weiß Schauergeschichten von ausgesetzten Neugeborenen, verstoßenen Alten und verspeisten Hunden zu erzählen.
Im Dorf Basha empfangen uns die Bewohner mit Salutschüssen aus ihren altertümlichen Schrotflinten. Kriegerisch sehen sie aus mit ihren kahlen Schädeln und der einzelnen, zum Knoten geschlungenen Haarsträhne. Geschoren werden die Männer mit einer Sichel, wie wir mit leichtem Schaudern beobachten können.
Der 1.700 Jahre alte Ort, mit seinen schindelgedeckten Holzhäusern malerisch am Berghang aufgefächert, ist eines von zehn Museumsdörfern in Guizhou. Hier stehen die Bauten unter besonderem Schutz, das dörfliche Leben und die vielfältigen Traditionen der Provinz sollen bewahrt und gleichzeitig für Besucher zugänglich gemacht werden. 
Früher war die unwegsame Region, die zu 98 Prozent aus Karstgebirge besteht, nur schwer zu bereisen. Doch das ändert sich rapide: Seit drei Jahren führt eine Autobahn Richtung Osten nach Guilin, und die Provinzhauptstadt Guiyang mit ihrem Flughafen ist nun von Zhaoxing aus in vier Stunden zu erreichen – früher waren es 13. Und durch die neue Hochgeschwindigkeitsbahn zur Metropole Guangzhou schrumpfen die Entfernungen jetzt noch weiter zusammen.
„Noch vor zehn Jahren gab es hier im Dorf keinen Strom und kein fließendes Wasser“, erinnert sich Wang Lu. Nun entwickelt sich der Tourismus rapide: Restaurants, Läden und kleine Unterkünfte sind entstanden, 2014 wurden eine Fußgängerzone und ein Busparkplatz mit imposantem Eingangstor zur Altstadt angelegt.
Die Touristen kommen vor allem aus China. Für die jungen Leute aus den Großstädten, die das Dorfleben nur vom Hörensagen kennen, ist die Region fast ebenso exotisch wie für uns. Viele der Alten hier sprechen kaum Hochchinesisch. 
Im Museumsdorf Tang An treffen wir eine Gruppe von Design-Studenten aus Henan. Sie sind gekommen, um die traditionellen Trachten zu erkunden. Doch plötzlich stehen die blonden Besucher aus Deutschland im Mittelpunkt: Das muss für Renren, das chinesische Facebook, festgehalten werden. Ein Foto mit den Langnasen, bitte!

Klaus Pranger

Angebote

Bei Gebeco gibt es drei Rundreisen, die ganz oder teilweise durch die Provinz Guizhou führen: „Unbekanntes Südchina privat entdecken“, „Zu Gast bei den Minderheiten Südchinas“ und „Herz und Seele Chinas privat entdecken“. Bei der Südchina-Rundreise „Eine chinesische Landpartie“ von Lernidee sind zwei Tage in Guizhou im Programm enthalten, bei „Südchina Überland“ von Ikarus Tours fünf Tage, bei „Abseits der Metropolen“ von Travel Service Asia Reisen (www.tsa-reisen.de) vier Tage. Eine Selbstfahrertour „Durch die Karstlandschaft Südchinas“ bietet China Tours an - sechs der zwölf Reisetage führen durch Guizhou.

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