Katar

Katar: Blicke in den Alltag

Alte Dhau und neue Wolkenkratzer: die katarische Bevölkerung wurde in kurzer Zeit von arm auf reich katapultiert.

Alte Dhau und neue Wolkenkratzer: die katarische Bevölkerung wurde in kurzer Zeit von arm auf reich katapultiert. Foto: ras

Embrace Doha will Brücken zwischen den Kulturen schlagen

Frauen und Männer sitzen in einer Runde auf dem Boden und löchern die Dame in der Mitte mit Fragen. „Dating ist natürlich ein viel gefragtes Thema“, sagt die freundliche Frau mit dem Kopftuch und lacht ihr ansteckendes Lachen.

Dating ist ein ungewöhnliches Thema. Vielleicht nicht in Europa, aber dort, wo die Gesprächsrunde stattfindet: in Katar. Ungewöhnlich ist auch die Rednerin: Amal Al-Shammari will mit ihrer Agentur Embrace Doha Brücken zwischen Einheimischen und Besuchern bauen.

Egal, ob diese Katar nur kurz besuchen oder als so genannte Expats einige Zeit vor Ort arbeiten, Al-Shammari möchte Ausländern die katarische Gesellschaft näherbringen, so dass sie sich möglichst ohne Fettnäpfchen durch das Emirat bewegen können.

Nicht nur für Europäer ist vieles ungewohnt. Auch Al-Shammari selbst erlebte in ihrer Heimat, die sich seit Jahren rasant entwickelt, oft Überraschendes. So kann sie sich gut an ihren Berufsstart bei einem Öl- und Gasunternehmen erinnern. Denn er stellte sie vor nicht vorhersehbare Herausforderungen. „Viele Männer in unserer Firma dachten, ich flirte mit ihnen“, sagt Al-Shammari. Doch von Flirten keine Spur.

Denn in dem Job, den sie nach ihrem Uni-Abschluss annahm, war es üblich, dass Frauen bei der Arbeit nur ein Kopftuch tragen – und nicht den Gesichtsschleier, den Niqab. Nicht nur für manche katarischen Männer eine ganz neue Erfahrung.

Zum ersten Mal musste Al-Shammari, die in einer traditionellen Berberfamilie aufwuchs, nach Mädchenschule und Mädchenuniversität fremden Männern ihr ganzes Gesicht zeigen. „Jeder, dem ich nur freundlich guten Morgen sagte, dachte, ich will ihn kennen lernen“, erinnert sie sich an diese Zeit zurück.

Aus dieser Erfahrung heraus hat sie die Agentur Embrace Doha gegründet, die sie neben ihrem Hauptjob betreibt. Für Ausländer bietet ihr Team unter anderem Gesprächsrunden an, bei denen alle möglichen Themen des Alltags besprochen werden. Al-Shammari ist dabei erstaunlich offen. „Ob sie sich vorstellen könnte, unverheiratet zu bleiben oder Zweitfrau zu werden“, lautet eine der Fragen.

Zu Hause, das heißt bei ihren Eltern, ist die unverheiratete Frau selten. „Sie haben mir extra eine Playstation geschenkt, damit ich mehr Zeit zu Hause verbringe“, spricht sie über das Geschenk, das seit Monaten in einer Ecke stehe. Ihre Eltern hätten auch lange mit ihrer Idee gehadert. „Aber immerhin kocht meine Mutter inzwischen für Embrace Doha “, freut sie sich.

Für ihre Mutter wie für die ganze katarische Bevölkerung, die in kurzer Zeit von arm und rückständig auf reich und zukunftsweisend katapultiert worden sei, habe sich in den vergangenen Jahren viel geändert. In der Generation ihrer Mutter sei es nicht einmal üblich gewesen, dass Mädchen lesen lernten. „Die nächste Generation wird anders“, ist Al-Shammari überzeugt.

Am Ende unserer Gesprächsrunde kommt die obligatorische Frage, ob man denn auch ein Foto für eine Veröffentlichung machen dürfe? Die junge Frau springt auf und lacht: „Na klar, Aber ich muss erst mal meinen Lippenstift holen.“ Typisch Frau.

Sylvia Raschke

Buchungshinweis
Embrace Doha bietet neben Gesprächsrunden und Workshops auch Touren, bei denen unter anderem der Besuch eines Hauses aus den 70er Jahren eine verblüffende Zeitreise ermöglicht. Es ist auch möglich, einen Katari einen Tag zu begleiten. Informationen und Buchungen über die Website www.embracedoha.net oder per E-Mail an amal(at)embracedoha.com.

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