China

Hongkong: Neu erfundene Altstadt

Buntes Leben in den Seitenstraßen und auf der Ladder Street.

Buntes Leben in den Seitenstraßen und auf der Ladder Street.

Die Metropole rückt seine historischen Attraktionen in den Vordergrund

Old Town Central wird als neues Trendviertel vermarktet, aber an vielen Stellen kann man immer noch fernöstlichen Alltag erleben.

Old Town Central wird als neues Trendviertel vermarktet, aber an vielen Stellen kann man immer noch fernöstlichen Alltag erleben. Fotos: fh


Der Begriff „Hongkonger Altstadt“ dürfte die meisten Reisenden verwirren. Schließlich ist die Sieben-Millionen-Metropole am Victoria Harbour der Inbegriff des Modernen, des Fortschritts. Dies allerdings schon so lange, dass sie in den letzten 175 Jahren ganz nebenbei auch eine Menge Geschichte angesammelt hat. 

Besonders gut sieht, nein spürt man das in Old Town Central. Der Name selbst ist übrigens brandneu und wurde erst 2017 offiziell vom Hong Kong Tourism Board „erteilt“. Dahinter verbirgt sich der historische Kern der Stadtteile Central und Sheung Wan im Norden von Hong Kong Island. Das Viertel hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erfahren – vielleicht gerade, weil man hier noch den Charme des alten Hongkong erahnt?

Ein bisschen gegensätzlich ist es schon, dass die Altstadt erst neu ausgewiesen werden musste. Hongkong ist eben keine Stadt, die innehält und zurückblickt. Aber mit dem neuen Namen kann man die Besucher vorsichtig mit der Nase darauf stoßen, dass Hongkong auch Historisches bietet.

Geschichte im Vorübergehen
Damit der Besucher die wirklich wichtigen Orte im Straßengewirr auch findet, hat das Tourist Board auch gleich noch selbstgeführte Touren durch Old Town Central aufgelegt. Ganz passend beginnt der Highlights-Spaziergang am Possession Point. Wo die Briten 1841 ihre Flagge aufpflanzten und das nahezu unbewohnte Eiland in Besitz nahmen, liegt heute der Hollywood Road Park: ein kleiner, grüner Fleck mitten im Großstadttrubel, mit meterhohen Bäumen, Palmen und den obligatorischen Schachspielern im Rentenalter.

Mit ein bisschen Glück trifft man hier den einen oder anderen Hongkonger morgens beim Tai-Chi, wenn sie nicht schon beim Milchtee in einem der umliegenden Cafés sitzen. Gleich gegenüber dem Eingang wartet nicht nur ein angesagtes Café, sondern auch ein chinesischer Sargmacher, der mit seinen Exponaten auf dem Gehsteig die Gäste zwischen Cappuccino und Caffè Latte an die Endlichkeit ihrer Existenz erinnert.
Wo die einsamen Seelen warten

Nur wenige Schritte weiter in der Tai Ping Shan Road liegt der kleine Pak-Hsing-Tempel, der „Tempel der hundert Namen“. Über eine Treppe geht es in einen kleinen Raum, über und über angefüllt mit alten Fotografien und Ahnentafeln. Er ist dem Bodhisattwa Dizang gewidmet, der verlorenen Seelen ins Paradies hilft.

Aus gutem Grund: Gerade in den ersten Jahrzehnten Hongkongs, als Tausende von Arbeitskräften aus ganz China in die Stadt strömten, starben viele, ohne dass man ihnen in der Heimat ein anständiges Begräbnis hätte bieten können. Oft war ja nicht einmal bekannt, woher die Toten stammten.

Also wurde ihnen ab 1851 in diesem Tempel eine Ahnentafel aufgestellt, so dass ihre Seelen nicht zwischen Diesseits und Jenseits umherirren mussten. Heute stehen noch immer Hunderte von ihnen da, die Fotos mit blinden Flecken übersät, jede von ihnen ein persönliches Schicksal.

Zurück auf der Straße geht es in der historischen Taktung weiter: Über die Hollywood Road vorbei am taoistischen Man-Mo-Tempel bis zu den Police Married Quarters (www.pmq.org.hk): Die ehemaligen Unterkünfte für verheiratete Polizisten sind heute randvoll mit Boutiquen, Cafés und gewagten Kunstgalerien – eine schöne Brücke zurück in die Gegenwart.

Francoise Hauser

Rundgang
Die fünf Spaziergänge durch Old Town Central sind unter www.discoverhongkong.com/de bei „Erleben & Unternehmen“, „Sehenswürdigkeiten“ zu finden. Dort gibt es auch ein englischsprachiges E-Book zum Download.