Australien

Drinnen und draußen

Gabal am Eingang des Parkes.

Mit einem Aborigine unterwegs im Regenwald von Queensland

Riesenwurzel im Daintree-Nationalpark. Fotos: jm

Regen. Natürlich Regen. Der Name Regenwald kommt ja nicht von ungefähr. Wobei der Regen wie Regenstaub wirkt, feiner noch als Niesel, als seien die Tropfen durch ein unsichtbares Sieb gepresst worden. Das Dach des Waldes ist dicht, mehr als 50 Meter hoch. Jede Pflanze kämpft um Licht und Wasser. Jeder Regentropfen trifft unzählige Male auf Bäume, Blätter, Äste, Tiere, wird kleiner, verstäubt sich, ehe er ganz unten angelangt, bei Gabal.

Eigentlich heißt Gabal C. J. Das steht für Collin John. So heißt er draußen, in der Zivilisation nahe Mossman im Bundesstaat Queensland. Im Wald der Kuku-Yalanyi heißt er Gabal – wie der Baum, unter dem er geboren wurde. Sein Regenwald ist der Daintree-Nationalpark, seit 1988 Weltnaturerbe.

Gabal trinkt. Er nimmt Wasser aus ‧einem Trichter aus Blättern, den er am Auslauf verstopft hatte. Das Wasser hat sich beim Gehen angesammelt. Er reicht mir den Blätter‧trichter. Wortlos, denn aus unserem Gespräch ist Schweigen geworden.Ein stundenlanges Schweigen, das so vieles erzählt, weil Gabal mit Blicken die kleinen Geheimnisse des Waldes enthüllt: perfekt getarnte Tiere, Blätter, die er zwischen den Fingern zerreibt, die dann ätherische Öle freigeben, kleine Beeren als leckere Zwischenmahlzeit. Gabal zeigt, wie man aus Samen, Beeren und Insekten eine einfache, durchaus schmackhafte Mahlzeit bereitet.

Jeder männliche Aborigine der 20 Stämme im Daintree-Wald hat das Wissen von Gabal. Denn jeder ‧junge Mann muss in seinem Leben 18 Monate lang allein im Regenwald überleben. Dann ist er ini‧tiiert: Dann ist er ein Mann.

Wir kommen zu Höhlen an einer von außen unscheinbaren Felsformation. Gabal deutet auf kunstvoll bemalte Felsen. Ich denke in diesem Moment nur an meine Kamera, aber ich benutze sie nicht. Es wäre eine Beleidigung. Das Nachtlager ist unter Gabals Geburtstagsbaum, einem unauffälligen Laubbaum. Gabal wurde in der Trockenzeit geboren, deshalb war sein Stamm im Wald. Wäre es die Regenzeit gewesen, wäre er ein Kind des Meeres geworden.

Die Nacht ist unangenehm. Das Bett aus Blättern und Zweigen nimmt nicht die Angst vor kriechendem Ungetier. Es gibt hier Pythons von vier Metern Länge, Spinnen, fiese rote Ameisen und 3.000 weitere nachtaktive Spezies. Aber Gabal würde das Lager nicht in der Nähe von roten Ameisen aufschlagen und Gefahr spüren ...

Die Moskito-Abwehr hilft jedenfalls bestens: alte Rinde bestimmter Bäume, die langsam vor sich hinglimmt. Wer meint, die Nacht sei still, täuscht sich. Der rund 150 Millionen Jahre alte Regenwald befindet sich immer noch im Evolutions‧stadium. Besonders nachts, wenn es pfeift, blubbert, knackt. Weitere Informationen unter www.aboriginalaustralia.com.au.
Jochen Müssig