Samoa

Der Clan der Telefonis

Die vulkanische Aktivität, aus der Samoa entstand, produzierte viele reizende Inselchen.

Die vulkanische Aktivität, aus der Samoa entstand, produzierte viele reizende Inselchen.

Samoa: Auf der Südsee-Insel gibt es noch immer deutsche Spuren

Deutsche Blasmusik hat sich als Kolonialerbe auf Samoa über die Zeit gerettet

Deutsche Blasmusik hat sich als Kolonialerbe auf Samoa über die Zeit gerettet. Fotos: mk

Erich Retzlaff reiste einst in wichtiger Mission von Stettin nach Samoa. Im Gepäck hatte er 20 Telefone. Sein Auftrag war es, die kommunikative Grundversorgung des Inselreiches aufzubauen. Die weite Schiffsreise, die der Postangestellte deshalb 1907 antrat, war ganz im Sinne des deutschen Kaiserreiches gewesen, das Westsamoa von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges als deutsche Kolonie verwaltet hatte. Denn um die Inseln im Südpazifik mit gewohnt bürokratischer Gründlichkeit regieren zu können, brauchten die Deutschen vor allem Telefone.

Schmidts, Schusters und Kruses
Etwas mehr als hundert Jahre ist das nun her. Und inzwischen gibt es auf Samoa so viele Telefonanschlüsse, dass die Nummern ein stattliches Telefonbuch füllen. Beim Durchblättern findet man neben landestypischen Namen auch 17 Einträge auf Schuster und Schwaiger, 13 Schmidts, 21 Keils sowie je acht Kruses und Retzlaffs.

Nach Schätzungen des deutschen Konsulats auf Samoa sind noch etwa fünf Prozent der Einheimischen Nachfahren deutscher Siedler aus der Kolonialzeit. Misa Telefoni Retzlaff zum Beispiel, der Enkelsohn des Telefonbeschaffers Erich Retzlaff. Er lebt mit seiner Familie auf der Farm des Großvaters und hat es immerhin bis zum Vizepremierminister des Landes gebracht. Selbst wenn er heute persönlich nichts mehr mit dem Telefongeschäft zu tun habe, sagt der 62-Jährige und lächelt, sei die Kurzform „Herr Telefoni“ auch heute noch die durchaus übliche Anrede auf der Insel.

Und morgens spielt die Blaskapelle
Deutsche waren bei Samoanern schon immer sehr angesehen, weil sie für eine florierende Wirtschaft sorgten. Bereits 1856 hatte das Hamburger Handelshaus Godeffroy in der Hauptstadt Apia eine Filiale eröffnet und legte in schnurgeraden Reihen die bis heute exaktesten Kokosplantagen des Pazifiks an.

Schroffe Gebirge und üppige Vegetation zeichnen die Insel aus, die durch vulkanische Aktivitäten entstanden ist. In den Dörfern leben die Einheimischen meist noch in traditionellen Fales, einfachen Strohhütten, die im Gegensatz zu den wenigen verbliebenen Holzhäusern aus deutscher Kolonialzeit in der feuchten Tropenhitze schnell zu erneuern sind.

Unverändert hält sich dagegen ein für Touristen äußerst bizarr anmutendes Zeremoniell, bei dem jeden Morgen die Polizeikapelle von Apia ausrückt, um die samoanische Flagge zu hissen. Bevor die Fahne im Wind weht, schmettern die uniformierten Bläser einen Marsch nach dem anderen, ganz so wie die Kapellen zu Kolonialzeiten, als es üblich war, in Musikpavillons aufzuspielen.

Als Misa Telefoni Retzlaff vor ein paar Jahren seine Regierungsgeschäfte aufgab, trieb ihn die Neugier auf seine deutschen Vorfahren nach Stettin: Im Gepäck hatte er Telefonnummern von verschiedenen Retzlaffs. Denen hat er schließlich seinen Namen Telefoni zu verdanken.

Margit Kohl