Norwegen

Norwegen: Geradeaus zum Nordpol

Rast am Lagerfeuer.

Rast am Lagerfeuer. Foto: jk

Tromsö in Nordnorwegen wird auch das Tor zur Arktis genannt

Wie bunte Würfel zufällig über die Landschaft verteilt wirken die Holzhäuschen mit Veranden und Balkonen: blutrote, taubenblaue, petrolgrüne, ockergelbe oder vornehm weiße Tupfer in Hanglage. Anmutig schmiegt sich das Städtchen in die Bucht des Tromsö-Sunds. Eine weit geschwungene Brücke führt vom Festland hinüber zur Insel, auf der – 1.650 Kilometer nördlich von Oslo – Nordnorwegens größte Stadt liegt. Wer würde vermuten, dass es 400 Kilometer nördlich des Polarkreises noch so quirlig zugeht?

Doch Tromsö schlägt einige Rekorde: als nördlichste Universitätsstadt mit der nördlichsten Brauerei und der nördlichsten katholischen Kirche. Schon früh war Tromsö auch ein internationaler Handelsplatz für Fische, Felle und vieles mehr. Noch heute nennt man Tromsö das „Tor zur Arktis“, denn von hier aus starteten im 19. Jahrhundert zahlreiche Polarexpeditionen, die weltweit Furore machten.
Shopping-Meilen mit Cafés, jede Menge Studentenkneipen und Bierhallen, hervorragende Fischrestaurants wie das Fiskekompaniet, kleine Geschäfte, Museen und Galerien, ein neues Theater und ein internationales Film-Festival im tristen Januar machen das Städtchen lebendig. Die markante Eismeerkathedrale ist seit 1965 zum Wahrzeichen Tromsös geworden. Ihre elf weißen, ineinander gefächerten Giebel wirken wie Schneeberge, und innen erinnert das dunkelblaue Glasgemälde an Polarnacht und Nordlicht. Wer von der Talstation der Gondelbahn Fjellheisen aus auf den 420 Meter hohen Hausberg Storsteinen hinauffährt, genießt den besten Blick über die Stadt.

Im Polarmuseum, in einem alten Warenlagerhaus am Kai, gehen Besucher der Geschichte im Eismeer nach: den Überwinterungen auf Spitzbergen, der Jagd auf Robbe, Walross, Rentier, Eisbär, Polarfuchs und Moschusochse. Gänsehaut bekommt man beim Anblick einer originalen Trapperhütte und nachgestellten Szenen mit lebensecht wirkenden Tieren und Jägern. Auch den Expeditionen der großen norwegischen Polarforscher Fridtjof Nansen und Roald Amundsen fühlt das Museum in den Geschichten von Eis und Schnee, Hunger, Finsternis, Heldentum und Selbstbetrug nach.

Einen Hauch dieses arktischen Kicks vermitteln Ausflüge in die Wildnis. Zu senkrecht aus dem Meer aufsteigenden Gebirgen mit schneebedeckten Zacken wie den Lyngsalpen. Zu den Siedlungen der See-Samen, die früher vom Fischfang lebten und heute ihre Handarbeiten verkaufen. Noch weiter nördlich, in Skjervöy, kann man – ausstaffiert mit dicken Schwimmanzügen – die Reise mit dem Boot fortsetzen. Holger, der aus Potsdam stammende Guide, weiß, wie er seine Gäste zum Frösteln bringt: „Von hier aus geht's immer geradeaus, noch 1.000 Seemeilen bis zum Nordpol.“

Jenny Kreyssig