Italien

Italien: Bunte Türen gegen den Verfall

Wenige Touristen, viele bemalte Türen: Valloria in Ligurien, rund 15 Kilometer von Imperia entfernt.

Wenige Touristen, viele bemalte Türen: Valloria in Ligurien, rund 15 Kilometer von Imperia entfernt. Foto: mg

Im ligurischen Hinterland ist ein Ort spannender als der andere

Giancarlo drückt auf die Bremse. „Slowly, slowly, it’s a long way“, radebrecht er in frisch erlerntem Englisch, nimmt die Hand vom Lenker des Mountainbikes und weist nach oben. Dort, rund 300 Höhenmeter über uns, klebt der ligurische Ort Valloria am Berg. Erreichbar über eine rund sechs Kilometer lange Serpentinenstraße durch Olivenhaine, deren Erntenetze eingerollt an den Bäumen hängen. Im Frühjahr herrscht hier die viel gerühmte Ruhe des ligurischen Hinterlandes: Touristen sind rar – und bis zur nächsten Olivenernte sind es noch Monate. Dann tuckern die Traktoren ohne Unterlass, um die Ernte ins Tal zu den Ölmühlen zu bringen.

Wiederaufbau in Bussana
Kaum eine Region Italiens wurde so von den Menschen geprägt wie die Riviera zwischen San Remo und Savona. Bis auf 400 Meter Höhe ziehen sich die künstlich angelegten Terrassen, und an der Küste blieb kaum ein Fleckchen unbebaut. Dies ist die Heimat von Fischern und Seefahrern, die vor 1.500 Jahren zu Bergbewohnern wurden. Aus Angst vor Überfällen arabischer Piraten gründeten sie Dörfer wie Valloria, Bussana Vecchia oder Triora.

Im späten Mittelalter verloren diese Orte wieder ihre Bedeutung. Immer öfter wurden sie dem Verfall preisgegeben, Erdbeben verstärkten den Trend, von den Bergen wieder zurück zur Küste zu ziehen. So stand das alte Bussana nach der teilweisen Zerstörung im Jahr 1887 mehr als 60 Jahre leer, bevor italienische Künstler den Reiz des Ortes unweit von San Remo entdeckten. Heute ist das Künstlerdorf, in dem man mittlerweile auch in kleinen Bed?&?Breakfast-Häusern übernachten kann, ein touristisches Kleinod.

Eine ähnliche Entwicklung hat Valloria – rund 15 Kilometer von Porto Maurizio/Imperia entfernt – genommen. Anfang der 90er setzten sich die wenigen verbliebenen Einwohner zusammen und überlegten, wie sie den Verfall ihres Ortes stoppen könnten. Dabei kamen sie auf die Idee, Künstler einzuladen, um Haustüren zu bemalen und auf diese Art für touristische Aufmerksamkeit zu sorgen. Das Resultat ist eine einzigartige Open-Air-Galerie unterschiedlicher Stile. Für einige Urlauber so reizvoll, dass sie in Valoria Häuser oder Wohnungen kauften und maßgeblich dazu beitrugen, den Ort Schritt für Schritt zu sanieren. Einmal im Jahr sorgt ein Künstlerfest dafür, dass mehr als 1.000 Besucher das kleine Bergdorf in eine überfüllte Arena verwandeln. Ansonsten steht man aus touristischer Sicht noch am Anfang: In der Nebensaison lädt nicht ein einziges Café den Gast ein, sein Geld vor Ort zu lassen.

Schweres Erbe in Triora
Anders in Triora, rund 25 Kilometer vom Küstenort Arma di Taggia entfernt. Dass im Mittelalter allein in diesem Nest mehr als 30 Frauen als Hexen „erkannt“ und vor die Gerichtsbarkeit in Genua gezerrt wurden, wird heute unbarmherzig vermarktet. Wenn man die Geschäfte am Ortseingang allerdings erst einmal hinter sich gelassen hat, fällt es leicht, sich in die alten Zeiten zu versetzen. Fasziniert spaziert man durch dunkle Gewölbegänge, abgenutzte Treppen und verwinkelte Gassen. Einige der Häuser sind frisch saniert, viele andere jedoch Ruinen. Dass einige davon offensichtlich Bränden zum Opfer fielen, scheint zum Bild des Hexenortes zu passen. Doch die Eingebung trügt: Von den angeblichen Hexen starb nicht eine auf dem Scheiterhaufen. Die meisten wurden vom Gericht in Genua freigesprochen, einige erlagen den schweren Haftbedingungen.

Matthias Gürtler