Estland

Estland: Genusskultur mit Saunabus

Tallinns Altstadt gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.

Tallinns Altstadt gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Foto: fxm

Tallinn gilt als eine der schönsten Städte Nordeuropas

Die Esten sind äußerst einfallsreich, besonders wenn es um das leibliche Wohl geht. So ist die „Killobüchsenansicht“ zum geflügelten Wort für die erste Begegnung mit Tallinn vom Wasser aus geworden, wenn sich die Türme der Altstadt in den Himmel recken und das Geläut der Kirchen rund um den Domberg die Gäste willkommen heißt.

Der Kleinfisch namens Killo, jener schmackhafte estnische Strömling, wird in vielen Variationen zubereitet und am liebsten mit saurer Sahne, Kartoffeln und Zwiebeln verspeist. Solo ist er nur mit herzhaftem estnischem Schwarzbrot zu genießen. Einen Wodka oder Vana-Tallinn-Likör hinterher und der Mensch ist zufrieden.

Nicht ganz, denn ein Saunagang würde die Sache abrunden. Was aber tun, wenn gerade kein Rauchsauna-Häuschen in der Nähe liegt? Wie gesagt, die Esten sind erfinderisch. Man greift einfach zum Telefon, ruft den Saunabus an und spaziert im Bademantel durch den eigenen Vorgarten bis zum Bus, der fix und fertig vorgewärmt vor der Haustüre parkt. So werden die Kilos wieder runtergeschwitzt, estnische Alltagskultur vom Feinsten.

Allen Grund zufrieden und stolz zu sein hat man in Estlands Hauptstadt allemal. Rund zwei Millionen Touristen jährlich, vor allem aus Finnland, Deutschland und Schweden, besuchen die Perle an der Ostsee. Auch der Kreuzfahrtstandort Tallinn boomt, über 270 Schiffe gingen hier 2008 vor Anker. Ein Rundgang durch die charmante, mittelalterlich anmutende Altstadt, durch die zahlreichen Arkadenhöfe, verwinkelten Gassen und entlang der imposanten Stadtmauer zum Domberg Toompea oder zum Kadriorg, dem Katharinental, gehört zum Pflichtprogramm. Dort, wo 1718 Zar Peter I. einen pompösen Barockpalast als Sommerresidenz für seine Gattin Katharina I. baute, befindet sich heute das Museum für ausländische Kunst, im einstigen Kanzleigebäude der Schlossanlage residiert der estnische Präsident.

Ganz in der Nähe liegt ein weiterer sehenswerter Kulturtempel: Das im Jahr 2006 eröffnete Kumu Art Museum wurde im Mai 2008 unter 140 Kandidaten zu „Europas Museum des Jahres“ gekürt.

Unesco-Weltkulturerbe ist die Tallinner Altstadt bereits seit 1997. Gewissenhaft bereitet man sich auf das europäische Kulturhauptstadtjahr 2011 vor, die Straßenverbindungen werden ausgebaut, Tallinns Hafen, die Strandpromenade und das Stadttheater erweitert und das neue Kulturzentrum Kultuurikatel, der „Kulturkessel“, entwickelt. Die äußerst lebendige Kulturszene von Ballett übers Bier-Festival bis zum Mittelalterstadtfest lässt schon heute keine Wünsche offen.
Franz-Xaver Müller