Russland

Russland: Nächte ohne Brücken

Eine Reise genügt nicht, will man alle Sehenswürdigkeiten St. Petersburgs kennen lernen.

Eine Reise genügt nicht, will man alle Sehenswürdigkeiten St. Petersburgs kennen lernen. Foto: stock.xchng

St. Petersburg ist eine Stadt voller Sehenswürdigkeiten – aber teuer

Charmebolzen sind die Gastgeber in St. Petersburg nicht gerade. Nur selten überzieht ein Lächeln die starren Mienen der Verkäuferinnen, der Garderobieren in den Museen oder der Polizisten. Das fängt schon bei der doppelten Passkontrolle im Fährhafen an. Sie erinnert im Prozedere an unglückselige Zeiten, in der noch harsche Töne den Grenzübertritt in Länder jenseits des Eisernen Vorhangs begleiteten.

„Wir sind einfach kein höfliches Volk“, stellt Lena fest, eine hübsche, kluge und charmante Reiseleiterin, die in St. Petersburg wegen ihrer guten Manieren aus dem Rahmen fällt. Recht hat sie: Wer sich beispielsweise in einem der vielen Museen der Stadt nicht vor anstürmenden Schulkassen in Sicherheit bringt, trägt unweigerlich blaue Flecken davon.

Gäste, die mit einer Finnlines-Fähre nach St. Petersburg einfahren, bleiben bei solchen Unbilden gelassen. Denn die Überfahrt dauert rund 60 Stunden und verläuft an Bord der Translubeca so gemächlich, dass die Passagiere abschalten und aller Hektik entsagen.

„Wir haben nur tausend Gäste im Jahr, die Lkw-Fahrer nicht eingerechnet“, betont Ute Schiller, Marketing-Managerin von Finnlines Deutschland, „das ist selbst für kundige Expedienten noch ein Geheimtipp.“ Es sei eine Reise für Leute, die Zeit haben, meint Schiller – und Geld: „Für den Passagepreis kann man schon in die Türkei fliegen.“ Andererseits können die Gäste in St. Petersburg an Bord bleiben. Das ist ein unschätzbarer Vorteil, denn „die Hotelpreise sind Wahnsinn“.

St. Petersburg, mit 4,6 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Russlands, bietet so viele Sehenswürdigkeiten, dass eine einzige Reise nicht reicht, auch nur einen Bruchteil zu sehen. Die Stadt besitzt 80 Theater, 50 Hochschulen, 250 Museen und genießt den Ruf als intellektuelle und künstlerische Hauptstadt des Landes. „Sie ist auch Hauptstadt der Diskotheken“, weiß Lena. Doch Vorsicht ist geboten – nicht wegen der Taschendiebe, vor denen gewarnt wird, sondern weil nachts die vielen Kanalbrücken hochgeklappt werden, um Handelsschiffe passieren zu lassen. Die dann nötigen Umwege haben schon manchen auf dem Heimweg zum Hotel zur Verzweiflung gebracht.

Die Weißen Nächte von Anfang Juni bis Mitte Juli, in denen es nie richtig dunkel wird, sind eine der großen Touristenattraktionen der Stadt. Die zweite ist ohne Zweifel die Eremitage, ein gigantischer Museumskomplex, der jedes Jahr vier Millionen Besucher zählt. „Allein das hat die Reise gelohnt“, sagt ein Gast der Translubeca vor Caravaggios berühmtem Knabenbild. Die alten Meister – allein 25 Rembrandts – sind in der Eremitage ebenso gut vertreten wie die Klassiker der Moderne, allen voran 31 Picassos.

Wer nach der Eremitage noch Lust auf Museen hat, sollte nach Puschkin, 25 Kilometer südlich von St. Petersburg, hinausfahren: Der Ekatarinenpalast ist ein Märchen aus Stein. Allerdings ist hier die Gefahr, von Schulklassen überrannt zu werden, besonders groß.
Horst Schwartz
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