Finnland

Frostige Ferien

Im Winter vermietet Jussi Eiramo Eisquartiere, im Sommer können die Gäste in Blockhütten unterkommen.

Finnisch Lappland: Vom Selbstversuch, eine Nacht im Iglu zu verbringen

Dicke Daunenschlafsäcke und Rentierfelle auf einem Eisblock: das Bett im Iglu. Fotos: hs

Kann man auf eine Nacht im Iglu hinfiebern? Oder fröstelt man darauf zu? Kann es sein, dass man eine Urlaubsnacht im Quartier aus Eis gebucht und plötzlich gar keine Lust mehr darauf hat, wenn man über 300 Kilometer nördlich des Polarkreises in Finnisch Lappland eingetroffen ist und in sein eisiges Quartier einchecken soll? Dass man sich fragt, was man sich denn nun schon wieder eingebrockt hat und nach Ausflüchten sucht, den eigenen Plan bei minus 21 Grad möglichst unauffällig rückgängig zu machen?

Kakslauttanen liegt viereinhalb Autostunden nördlich der Lappland-Hauptstadt Rovaniemi, eine halbe Fahrtstunde südlich von Ivalo. Dort hat Jussi Eiramo sein Iglu-Dorf eröffnet. Im Sommer vermietet der bärtige Hüne Blockhäuser, im Winter zusätzlich selbstgebaute Iglus. Vor gut 20 Jahren hat er erstmals eine Schneehöhle gegraben, ein paar Rentierfelle hineingeworfen und das Quartier an abenteuerlustige Fremde aus dem Süden vergeben.

Seitdem wächst das Interesse an der Kälte von Jahr zu Jahr. Rund zwei Dutzend Iglus baut der Wildnishotelier inzwischen, jedes mit Platz für vier Personen, jedes mit halbmeterdicken Wänden aus Eis und etwa acht bis zehn Quadratmeter Grundfläche.

„Wer ein Iglu bucht“, sagt Eiramo, „der tut das für eine Nacht und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. Niemand verbringt die ganzen Ferien im Eisquartier.“ Seine Gäste kommen aus Mittel- und Südeuropa, sogar aus Dubai, aus Australien, Argentinien und China. Vor allem Japaner sind ganz heiß auf die Kälte. Bis Anfang Mai ist das Eis-Dorf geöffnet. Danach holt sich der Frühling die vergänglichen Bauten.

Beim Betreten des Eisquartiers beschlägt die Brille. Der Schleier ist Beweis für den 15-Grad-Temperatursprung von minus 21 Grad Außentemperatur auf frostig-warme minus sechs Grad im Iglu. Der Kopf ist in eine Sturmhaube gezwängt, der Daunenschlafsack stramm zugezogen, die Kapuze über den Kopf geklappt.

Wer eben noch müde war, ist plötzlich wieder wach, lauscht auf Geräusche, horcht, ob der Schnee knirscht, das Eis krächzt, ob Tropfen von der Decke herabtrommeln, spitzt die Ohren und merkt, dass es nichts zu hören gibt. Ein geheimnisvoll bläulicher Schein des Lichts aus dem Hof dringt durch die Eiswände, als würde man in einer trockenen Glasglocke unter Wasser wohnen und durch die Zimmerwände in die Fluten schauen können.

Nach und nach melden Arme, Beine, Nasenspitze und Nieren ans Gehirn: alle noch vorhanden, Durchblutung okay. Zehen und Finger geben ebenfalls Vollzähligkeit an die Zentrale durch. Der Kopf beschließt, das Winterschlafprogramm zu fahren: bloß nicht bewegen, keine Energieverluste riskieren, embryonale Haltung im Schlafsack unverändert beibehalten.

Irgendwann meldet sich die Blase und möchte das beheizte Klohaus testen. Die Brillengläser sind mit einer Eisschicht überzogen, die Armbanduhr zeigt völlig unerwartet bereits halb neun Uhr morgens. Durchgeschlafen im Eis, Zeit zum Aufstehen: Experiment geglückt, Iglu-Urlaub überlebt! Eigentlich war es sogar gemütlich. Und echt cool.
Helge Sobik
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