Norwegen

Grüne Lichter in der Finsternis

Nur an den Polen der Erde sind die Nordlichter in solcher Intensität zu sehen.

Spitzbergen ist einer der besten Plätze, um Polarlichter zu sehen

Wichtiges Fortbewegungsmittel in einer Landschaft aus Schnee und Eis: motorisierte Schlitten. Fotos: Spitsbergen Travel, Dieter Schütz/pixelio

Klirrende Kälte, der Atem scheint in Eiskristalle zu gefrieren. Der Wind schneidet messerscharf ins Gesicht, obwohl es fast komplett in Schal und Mütze gehüllt ist. Winter in der Arktis - es ist eiskalt. Temperaturen von minus 30 Grad Celsius scheinen jedes Leben einzufrieren. Und es ist dunkel: Finsternis herrscht im norwegischen Svalbard. Monatelang wird hier niemand die Sonne sehen. Auf diesem Archipel des Nordpolarmeeres liegt Spitzbergen, klein, aber die wohl bekannteste Region im Norden Norwegens.

Die meisten Touristen zieht es im kurzen Sommer dorthin, wenn die Sonne 24 Stunden am Tag scheint, der Schnee an manchen Stellen wegtaut und kleine rosa Blumen sich beeilen müssen, in den wenigen Monaten mit Tageslicht und Temperaturen um den Gefrierpunkt zu wachsen und zu blühen. Im September verschwindet das Licht wieder - und taucht die Arktis bis März in völlige Dunkelheit. Doch gerade die übt so nah am Nordpol eine ganz besondere Faszination aus: Hier ist einer der besten Plätze, um Polarlichter zu sehen.

Mit dem Schneemobil geht es raus ins eisige Dunkel. Der Motor knattert laut, dann leuchtet der Scheinwerfer auf, strahlt in die Nacht hinein, obwohl es gerade erst Mittag ist. In Longyearbyen geht alles normal weiter: Geschäfte sind geöffnet, die Einwohner arbeiten und es gibt Veranstaltungen. Neonröhren erhellen kleine Shops und den einzigen Supermarkt, Straßenlaternen brennen und lassen noch so eben erkennen, dass in Longyearbyen alle Häuser bunt gestrichen sind.

Auch die Schneemobile sind bunt - davon besitzt der Hauptort Spitzbergens übrigens doppelt so viele wie Einwohner, denn ohne die motorisierten Schlitten gäbe es kein Fortkommen. Rundum ist alles Wüste aus Eis und Schnee. Selbst im Sommer führen die asphaltierten Straßen nur ein Stück weit aus dem Städtchen heraus und enden dann im Nichts. Nachbarorte gibt es sowieso keine.

Die kleine Gruppe Touristen ist nur einen Katzensprung vom Nordpol entfernt in der Eiswelt unterwegs. Die weite Landschaft mit ihren spitzen Bergen und den vereisten Fjorden ringsum lässt sich nur erahnen. Die Schneemobile ziehen einsame, kalte Spuren in die unberührte Endlosigkeit, über der Millionen silberne Sterne funkeln. Dann taucht eine kleine Holzhütte auf, einst von Trappern errichtet, und für heute das Nachtlager.

Die Motoren stoppen, einen Moment lang ist alles tiefschwarz. Die vier Besucher stehen inmitten einer riesigen Fläche aus Schnee, der erst vor wenigen Tagen gefallen ist. Niemand spricht. Stille, als läge die Landschaft in einem Vakuum. Jeder Schritt knarzt auf der eisigen Schneedecke. Der Himmel ist wolkenlos, die Milchstraße scheint zum Greifen nah und erhellt glitzernd die Landschaft.

Plötzlich ziehen grünliche Schleier über den Horizont, schwingen in bizarren Bahnen hin und her. Schimmernd, flackernd und leuchtend verwandeln sie das eisige Svalbard in eine nahezu unwirkliche Kulisse. Polarlichter - zu schön, um real zu sein. Ein gigantisches Farbspiel am Horizont, hellgrün leuchtend scheinen sie Kurven zu beschreiben, auf und nieder zu tanzen. In langen, grünen, sich windenden Bahnen. Einige flackern nur kurz auf, andere verharren minutenlang schwebend in der Atmosphäre. Lichtspiele, die nur an den Polen der Erde in solcher Intensität zu sehen sind, und die sogar die eisige Kälte für ein paar Minuten vergessen lassen. Wenig später hüllt sie ein zartrosa Schleier ein - und sie verschwinden.
Daniela Kebel