Großbritannien

Die Geliebte an der Küste

Austern, Aal, Muscheln und Garnelen – in Brighton garantiert fangfrisch.

Brighton: Das britische Seebad lockt mit positiver Lebensart

Die Schokotorten im Laden „Choccywoccydoodah“ setzen Glückshormone frei. Fotos: ds

Die "glücklichste Stadt Britanniens" liegt am Ärmelkanal: das alte Seebad Brighton. Daran ist nicht nicht allein die viele Schokolade schuld, die im Lädchen "Choccywoccydoodah" die Glückshormone aktiviert. Doch das Schokoparadies ist ein gutes Symbol für das hiesige Lebensgefühl: "Ich wollte nur raus aus dem Konkurrenzkampf, ich wollte einfach mal nett sein", fasst es Christine Taylor zusammen. So gab sie ihren stressigen Job in London auf und eröffnete an der Küste ein kleines Schoko-Café. Heute sind ihre fantasievollen Kreationen so gut, dass sie sogar Kinofilme wie Harry Potter schmücken.

Nur 50 Bahnminuten von London entfernt fließt das Leben entspannter. Kreativ-Modernes verschmilzt mit liebevoller Tradition, kleine Designer-Geschäfte kuscheln sich in enge Altstadtgassen. Brightons Stadtväter unterstützen die "Freiheit, endlich mal in Ruhe was Schönes zu tun", mit Erfolg: Die winzige Schusterei der jungen Alex Herdman zählt zu den "Britain's 50 Best Boutiques", ebenso wie das Modestübchen der Designerin Sarah Arnett. Und das familiäre vegetarische "Terre à Terre" erreicht - umgeben von rund 400 anderen Restaurants in Brighton - regelmäßig die ersten Plätze unter Britanniens besten Esslokalen.

Vielleicht sind es auch die vielen Studenten, die mit ihrem Umweltbewusstsein und Feierfreudigkeit die Stadt frisch halten. Oder der Funke an Skurrilität, der "typisch Brighton" ist. Er ist es auch, der 700 bunt bemalte und kaum bekleidete Aktivisten aufs Fahrrad treibt: Beim "World Naked Bike Ride" protestieren sie gegen die Tyrannei des Automobils.

Und nicht zuletzt zieht das berühmte Nachtleben viele Londoner an den Kanal, erzählt die zugewanderte Françoise Haslam-Dodo: "Brighton war schon immer etwas lockerer und ein bisschen verrucht. London war die Ehefrau und Brighton die Geliebte." Manch braver Londoner hatte hier tatsächlich eine Geliebte. Allen voran Kronprinz George, der später als King George IV. den Thron bestieg. Als Prinzregent erkor er das damals aufstrebende Seebad zu seiner Spielwiese und Party-Stadt - weit genug entfernt von den strengen Bräuchen am Hofe.

Mit Fantasie und Reiseberichten aus dem Fernen Osten baute der junge George seinen Landsitz zum skurrilen pseudo-indisch-chinesischen Royal Pavilion aus: ein wilder Mix aus kunstvollen Zwiebeldächern und Spitztürmchen, im Inneren güldene Drachen und Säulen.

Am breiten Kieselstrand, wo die Menschen die schicke alte Promenade entlang bummeln oder baden gehen, waren damals heilende Seewasser-Kuren beliebt. Obwohl das hieß, täglich Salzwasser zu trinken und energisch in die Wellen getunkt zu werden. Die Lustbarkeiten um das Kurleben lockten bald Arm wie Reich zum Ausflug nach Brighton und ließen Vergnügungspiere entstehen. Der Brighton Pier ist noch heute in vollem Betrieb: Mit Spielautomaten, lauter Musik, Zuckerwatte und Fish & Chips.

Während die Sonne am Horizont versinkt, leuchten nach und nach die Lichterketten auf und liefern eine Ahnung vergangener Zeiten. Ergänzt wird das vom 50 Meter hohen Brighton Wheel ganz in der Nähe. Es bietet den besten Ausblick über den Ärmelkanal bis zu den Kreidefelsen, über den Pier und das einstige Fischerdorf. Auch von oben betrachtet: die glücklichste Stadt des Landes.
Dörte Saße
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