Schweden

Gänsehaut in Göteborg

Eine kriminalistisch-literarische Spurensuche in der zweitgrößten Stadt Schwedens

Mitten auf dem Vasaplatz thront ein Obelisk aus Stein. Hier, unterhalb der alten Universität, wohnt Kommissar Erik Winter - zumindest in Ake Edwardsons Krimis. Aus einem der gediegenen Steinhäuser mit den verschnörkelten Balkongittern schaut der snobistische Polizist hinunter auf den Platz, trinkt teuren Whiskey und raucht belgische Zigarillos.

Hier ist die Welt noch in Ordnung - doch der Ermittler bekommt es immer wieder mit furchtbaren Verbrechen in seiner Stadt zu tun. Vom Vasaplatz rumpelt die blaue Straßenbahn vorbei an der Feskekörka, Göteborgs außergewöhnlicher Fischhalle in Kirchenform, in Richtung Langedrag, wo sich der Fluss Göta Älv öffnet und im Yachthafen schicke Boote auf den Wellen schaukeln.

Hier spielt auf der Insel Donsö Edwardsons Krimi "Segel aus Stein" und Kommissar Winters kleine Tochter Elsa findet Jahre später auf dem Grundstück der Familie einen Toten. Auch Irene Huss, die Göteborger Ermittlerin von Autorin Helene Tursten, stolpert in "Die Tätowierung" über eine Leiche am Meeresufer und muss in "Der erste Verdacht" in einer Luxusvilla in den Schären ermitteln.

Zurück mit der Straßenbahn in die City: Edwardson hat "Der Himmel auf Erden" dramatisch in dem gigantischen Shoppingcenter Nordstan enden lassen, das an sieben Tagen der Woche die Göteborger durch große Glastüren in sein Inneres zieht. Alle Stimmen und Geräusche hier drinnen sind gedämpft wie unter einer riesigen Glasglocke.

Den Krimiautor selbst trifft man allerdings eher in einem der vielen Cafés Göteborgs. Ins "Kardemumma" kommt der frühere Journalist gern auf einen Kaffee. Oft ist er auch in der Stadt unterwegs und sucht Schauplätze für neue Geschichten. Er findet sie auch schon mal in den Vororten der Halbmillionenstadt - "Rotes Meer", der achte Band der Reihe um Kommissar Winter, ist in den nördlichen Satellitenstädten angesiedelt, in Hjällbo und Gardsten.

Den Arbeitsplatz seines Kommissars, das Polizeipräsidium am Ernst Fontells Plats, gibt es ebenfalls tatsächlich, ein großes rotes Backsteingebäude zwischen den Sportstadien Gamla und Nya Ullevi. Genauso wie den Gullbergskaj am Ufer des Göta Älv, zu dem Kommissar Winter gerne zum Nachdenken kommt. Doch hier am Fluss verändert sich in letzter Zeit enorm viel: Wo früher in großen Werften Schiffe gebaut wurden, sind gleich gegenüber von Oper, Riesenrad und Schifffahrtsmuseum moderne Stadtteile aus dem Boden geschossen.

Bei seinen fiktiven Geschichten ist es Edwardson wichtig, dass die Leser Mitgefühl haben. Sonst wären Krimis in seinen Augen nur leere, platte Unterhaltung. Doch auch wenn Irene Huss und Erik Winter in Göteborg immer wieder scheußliche Verbrechen aufzuklären haben - keine Angst: die Stadt ist wie alle schwedischen Städte in Wirklichkeit sehr sicher. Und mit oder ohne Krimi in der Tasche immer eine Reise wert.
Anke Benstem