Österreich

Beharrlich beschaulich

Kühe nach dem Almabtrieb auf den Wiesen des Alpbachtals.

Im Alpbachtal leben altes Handwerk und regionale Spezialitäten auf

Günter Kammerlander stellt Edelbrände und Liköre her.

Heumilchkäse, Schnaps, Speckknödel: Das Alpbachtal bietet viele Genüsse. Fotos: mc

Günter Kammerlander blickt vergnügt und zufrieden in die sanfte Landschaft. Beobachtet, wie alles in Ruhe gedeiht. Auf seinem Hof, oberhalb von Reith im Alpbachtal sind kaum noch Zivilisationsgeräusche zu vernehmen. Die Zeit steht still auf den saftigen Bergwiesen und -hängen mit ihren unzähligen Obstbäumen: Äpfel und Birnen, Zwetschgen und Marillen.

Der Mann mit dem prominenten Nachnamen, welcher unweigerlich Assoziationen nach Gipfeln und Alpentraditionen weckt, stellt Edelbrände und Liköre her. Einer enthält sogar Essenzen von unbehandeltem Wiesenheu. Natürlich aus der Region. Das Brennrecht wurde der Familie noch von Kaiserin Maria Theresia verliehen. Das noble Vertrauen wirkt nach: „Nur das Beste vom Besten kommt in die Flaschen“, sagt Kammerlander. Tradition verpflichtet. Und die ist im Alpbachtal allgegenwärtig.

Auch der Tourismus im Tal gedeiht in aller Unaufgeregtheit. Beschaulich, aber mit Beharrlichkeit. Und einer gehörigen Portion Echtheit und Unverfälschtheit. In dieser Nische haben sich die Alpbachtaler eingerichtet. Immerhin muss sich die vergleichsweise kleine Talgemeinschaft östlich von Innsbruck gegen solch berühmte Nachbarn wie das Zillertal und das Ötztal behaupten.

„Wir haben keine Starallüren“, sagt Michael Mairhofer vom Tourismusverband Alpbachtal und Seenland, „was die Gäste bei uns vorfinden ist authentisch.“ Die Mischung aus Touristen und Einheimischen sei ausgeglichen, die lokale Kultur noch nicht verfälscht und verkommerzialisiert. Ein Eindruck, der sich weitgehend bestätigt. Etwa bei einem Abstecher zum Kaiserhaus. In dem geschichtsträchtigen Forsthaus genoss schon Kaiser Franz Josef die Schönheit der Natur, vor allem in der nahen Kaiserklamm.

Neben der spektakulären Schlucht genießen die Gäste heutzutage vor allem die so genannte Prügeltorte, eine regionale Spezialität, die im Kaiserhaus über offenem Feuer gebacken wird. „Wenn’s nichts wird, krieg ich Prügel“, witzelt Hannes Larch, der Wirt. Der Name Prügeltorte stammt von dem Holzpflock, auf den der flüssige Teig geträufelt wird.

Weltliche Genüsse leben auf im Alpbachtal, das erst 1926 eine asphaltierte Straße bekam. Einst abgehängt, hängen die Alpbachtaler heute andere ab. Etwa in der Kunst des Schnapsbrennens. Oder in der Käseproduktion. Der Reither Heumilchkäse ist preisgekrönt. Und sogar im Bierbrauen. Die Ein-Mann-„Kristall Brauerei“ in Inneralpbach produziert Biere zum Zungeschnalzen. Ein namhafter Münchner Feinkosthändler gehört zu den wenigen handverlesenen Handelspartnern.

Apropos handverlesen: Auffallend viele alte Handwerksberufe, die andernorts längst ausgestorben sind, haben im Alpbachtal überlebt. Etwa das Spinnen oder die Federkielstickerei. Georg Leitner bestickt prächtige Trachtenriemen und -gürtel mit den weißen Kielen von Pfauenfedern. Bis zu 3.500 Euro kostet ein kostbares Stück aus Leitners Werkstatt. Trotzdem sind Wartezeiten von über einem Jahr die Regel.

Beim Bauernmarkt, im Spätsommer in Reith, können Besucher den Handwerkern über die Schultern schauen. In dieser Zeit finden auch Almabtriebe statt. Der größte, Ende September, zieht Tausende Besucher an und ist eine feste Größe. Das ist seit dem vergangenen Winter auch das Alpbacher Skigebiet. Durch den Zusammenschluss mit Wildschönau sei das Wintergeschäft abgesichert, so Touristiker Mairhofer. Das Gebiet namens „Ski Juwel“ gehört nun zu den zehn größten Tiroler Skigebieten.

In der Hotellerie besteht indes noch etwas Nachholbedarf. Im ganzen Tal gibt es neun Vier-Sterne- und nur zwei Vier-Sterne-Superior-Häuser. Abhilfe soll ein Medical-Wellness-Hotel schaffen. Der Spa-Bereich wird auch externen Gästen zugänglich sein. „Hier sind wir immerhin schon in der Überlegungsphase“, sagt Mairhofer. Damit sich das Tal weiterhin behaupten kann. Beschaulich – aber beharrlich.
Martin Cyris