Italien

Mit der Nase im Wind

Das Castello Aragonese liegt auf einer kleinen Felseninsel vor Ischia.

Ein Segeltörn um Ischia offenbart die schönsten Seiten der Insel

Da ist ja noch ein Segelschiff! An Bord bleibt Zeit zum Entspannen. Fotos: jm

„Leinen los!“ Kapitän Luca steuert die Gloria II aus der Marina von Neapel. Die Regeln an Bord sind einfach. „Erstens: Recht hat immer der Kapitän. Zweitens: Sollte er nicht Recht haben, tritt Regel eins in Kraft“, sagt Luca.Es ist also alles klar auf der Gloria II. Den Vesuv im Rücken haben wir das immergrüne Ischia schon im Blick. Die Pinien-, Kastanien-, Oleanderinsel mit Thermen, die gegen so viele Wehwehchen helfen sollen. Die Segel blähen sich, die Luft ist salzig, die Stimmung prächtig.

In der warmen und orangenen Abendsonne erreicht die schnittige Gloria II Punta di Monte Vico, eine sichelförmige Bucht an der Nordküste von Ischia. Am ersten Abend wird nicht gekocht. Luca hat während der Fahrt einen halben Meter großen Bonito ‧gefangen und lässt diesen nun in ‧einem Restaurant am Hafen direkt in die Küche bringen. Der Kellner serviert inzwischen einen kühlen Weißen. Der Wind pustet ein paar Wolkenfetzen weg, Mond und Sterne glänzen über dem Terrassenrestaurant. Boote schaukeln davor sanft im Wasser, knorrige Bäume, rot blühender Hibiskus und Oleanderbäumchen geben eine beschauliche Szenerie ab.

Gegen 5.30 Uhr melden sich die Stadtmusikanten: Dorfesel, Hund, Katze und Hühner geben ihr Konzert. Dann geht’s los: Von Ischia Citta aus wird die überschaubare Insel erkundet. La Citta ist die Stadt fürs Einkaufen, fürs Schlemmen, fürs Vergnügen, für schicke Mädchen und Jungs. Sant’ Angelo, der Urlaubsort von Angela Merkel zu Ostern, schmeichelt dagegen mit pastellfarbenen, kubischen Häuschen. Winklige Gassen treffen auf die malerische Piazza und den kleinen Hafen, in dessen Mitte bunte Holzboote schaukeln. Dort hat auch Franco Mirabella seinen Heimathafen. Der ehemalige Fischer schippert heutzutage Touristen zum nur vom Wasser aus erreichbaren Spiaggia dell’Amore, dem Strand der Liebe ...

Luca hat die Gloria II inzwischen an die Südküste gebracht. Das Mittelmeer ist die Wiege der Seefahrt. Und das soll schließlich ausgiebig genutzt werden. Die vor der Reise noch gänzlich unkundigen Segler gehen Luca gerne zur Hand: Anker lichten, Segel setzen und auch mal das Ruder übernehmen. Backbord (links) und Steuerbord (rechts) oder Bug (vorne) und Achtern (hinten) sind längst gängige Begriffe.

Wir umrunden die Insel, die auch vom Wasser aus bella figura zeigt. Die Gloria II gleitet an wunderschönen Buchten vorbei, Dorados für Individualisten, Wanderer und Liebespärchen, die ungestört sein wollen. In Forio wird noch ein Hafen angelaufen. In der Hauptstraße mit ihren Bars, Restaurants und Straßencafés tobt das Leben, Eros Ramazzotti schmust aus den Boxen, eine Vespa nach der anderen knattert die Via rauf und runter, aber Skipper Luca empfiehlt das liebreizende Kirchlein Santa Maria del Soccorso: „Eine im 16. Jahrhundert gebaute Wallfahrtskirche für Seemänner. Da müsst ihr doch unbedingt hin! Oder?“ – Keine Frage! Unter Seemännern ist das doch wohl Ehrensache.
Jochen Müssig
Anzeige