Italien

Der Maskenmann von Venedig

Kunstvoll von Hand bemalt: Mario Belloni fertigt seit ...

Besuch bei einem Künstler, der die Masken noch in Handarbeit anfertigt

... fast 30 Jahren venezianische Masken an. Fotos: hs

Tom Cruise hat eine gekauft. Und eine zweite zum Wechseln. Obwohl er gerade nicht von feindlichen Agenten gejagt wurde und womöglich Tarnung gebraucht hätte. Es surrte weit und breit keine Filmkamera, kein Scheinwerfer strahlte, niemand rief „Klappe“ und keiner „Action“. Der Mann aus Hollywood war ganz privat in Venedig und wollte einfach nur ein paar Masken haben. Nicht irgendeine aus der Grabbelkiste mit winzig kleinem „Made in China“-Schriftzug auf der Rückseite, auch keine von den Plastikbilligdingern aus Albanien, die den Markt gerade überschwemmen, sondern eine handgemachte. Eine von Mario Belloni.

Und so ging er über ein paar Dutzend Brücken, bog dreimal falsch ab, verlief sich, fand zurück, versuchte es erneut und schlüpfte schließlich durch die schmale Tür in den kleinen Laden in Venedigs Dorsoduro-Viertel, wählte aus, zahlte mit Kreditkarte, verschwand wieder im Gewühl der Gassen – und freute sich so über die Shopping-Ausbeute, dass er Signore Belloni noch schnell ein Autogramm daließ. Es hängt heute gerahmt im Schaufenster. Und dabei hatte Venedigs Maskenmann gar nicht gewusst, mit wem er es zu tun hatte, bis die Kreditkarte ins Spiel kam.

Belloni lacht heute darüber, wenn er die Anekdote erzählt und zugleich kaum aufschaut. Voller Tempo klebt, knickt und walzt er Wollfilzpapier Schicht über Schicht auf einen Rohling, bis daraus wieder eine dieser Masken geworden ist, die man vor ‧Augen und Nase befestigt. Solche, die fast nie das ganze Gesicht bedecken.

Wer in Venedig den Karneval mitfeiert, einen Tag lang mit glitzerndem Umhang und Rüschenhemd und vor allem der Maske über die Rialto-Brücke, den Markusplatz und vorbei am Dogenpalast Richtung Canal Grande flaniert, der geht nicht als Pirat oder Cowboy, sondern als Phantom, als Gruß aus einer anderen Zeit, der alle Einordnung dem Betrachter überlässt. „Unsere Masken“, sagt Belloni, „befeuern die Fantasie. Sie lassen Raum für Gedanken – dem Betrachter und dem, der sie trägt.“ Allenthalben laufen in den Tagen bis Aschermittwoch Menschen mit Masken durch die Stadt, drehen sich solche Phantome auf den Brücken und vor Fotoapparaten.

Ob er eine Lieblingsmaske hat? Belloni lacht. „Den Harlekin mit der ‧Hakennase.“ Wann er sie trägt? „Nur nach Dienstschluss“, sagt er und lacht wieder. Bei seiner Arbeit lässt er sich über die Schulter schauen, zeigt Fremden als einer der Letzten, wie sie nach alter Tradition selber Masken bauen und bemalen können. Sogar Kurse für Urlauber (www.camacana.com) bietet er inzwischen an.

Und hat der Maskenmann einen Traum, ein Ziel für die Zukunft? Jetzt überlegt er kurz, fährt sich mit der Hand durch den Kinnbart. „Umziehen, die Wohnung verlegen.“ Sagt er. Vom lauteren Castello-Viertel ins stillere Dorsoduro-Viertel, wo auch Laden und Werkstatt sind. „Und in Venedig wohnen bleiben natürlich. Für immer.“

Besuch aus Hollywood war übrigens neulich wieder im Laden: Diesmal kam Leonardo di Caprio. Weil er die Unterschrift von Tom Cruise im Schaufenster gesehen hat. Was der mitgenommen habe, wollte er wissen. Und kaufte sogleich ebenfalls im Maskenladen ein. Er ließ einen unterschriebenen Zettel da, der nun auch aushängt – als Werbung, falls mal wieder einer aus Hollywood vorbeiläuft.
Helge Sobik
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