Malta

Weiße Oliven und fluffige Fladen

Das Schlaraffenland stellt man sich eigentlich anders vor, trotzdem ist Malta eine kulinarische Empfehlung.

Die karge Mittelmeerinsel verblüfft mit kulinarischer Vielfalt

Der ganze Stolz von Olivenexperte Sam Cremona: weiße Oliven.

Backt noch mit dem Steinofen seines Großvaters: Matthew Mangion. Fotos: pa

Matthew Mangion klopft sich das Mehl von den Händen und legt Feuerholz nach. Vor der Ofentür, über der ein Malteserkreuz prangt, steht schon das nächste Blech Ftira parat. Die kleinen, mit Sesam bestreuten Fladen sind die Spezialität von „Emmanuels Bakery“ in der Mill Street von Qormi. In dem Städtchen bei Valletta soll es die besten Bäckereien Maltas geben. Neben Ftira und einer Variation süßer und fettiger bis sehr süßer und sehr fettiger Teilchen gehört auch Sauerteigbrot zum Angebot. Die Malteser mögen es am liebsten so: außen braun und knusprig, innen weich und fluffig wie ein frisch geschütteltes Daunenkissen.

Sollte Malta tatsächlich nicht nur ein Ziel für Kulturliebhaber, Sprachschüler und Sporturlauber sein, sondern auch für Leckermäuler? Dieser windzerzauste Landklecks, der zu den wasserärmsten Ländern der Erde zählt, ein Schlaraffenland für Feinschmecker? Um das zu ergründen, unternehmen wir eine Inselrundfahrt.

Unterwegs wollen wir uns natürlich auch an dem üppigen Kulturgut sattsehen, das Zeugnis darüber ablegt, dass Malta wegen der zentralen Lage im Mittelmeer geostrategisch stets heiß begehrt war. Die Besucher und Besatzer haben megalithische Tempel und bullige Festungen hinterlassen, außerdem prächtige Paläste und opulente Gotteshäuser, fast alle aus dem bleichen Inselkalkstein.

Unser Hauptaugenmerk soll jedoch auf den kulinarischen Spezialitäten Maltas liegen. Ob sie eine ebenso bunte Mischung sind wie das Geschichtserbe und die Sprache, die sich wie ein Cocktail aus Italienisch und Arabisch liest und mit ihrer Konsonantendichte ein wahrer Zungenbrecher ist? Allein die Ortsnamen: Xghajra, Xemxija, Gnien il-Kbir …

In „Emmanuels Bakery“, die Matthew mit seinem Vater und seinen zwei Brüdern betreibt, erhalten wir eine erste Kostprobe von der Vielfalt der maltesischen Küche. Schon die Ftira sind mit den unterschiedlichsten Füllungen zu bekommen – wenn es denn gelingt, die Bestellung auch auszusprechen. Besonders schwer geht die „Chawdxya“-Variante über die Lippen. Sie ist ein äußerst aromatisches Arrangement aus Ziegenkäse, Zwiebeln, Artischocken, Anchovis und Thymian.

Doch wie gelingen die Fladen so himmlisch knusprig und luftig? Matthew meint, dass es am Ofen liegt, der aus besonders harten Steinen von der Schwesterinsel Gozo besteht. Schon sein Großvater habe mit dem Modell gebacken, was erklärt, warum es wie ein Museumsstück aussieht. Viele Hundert Laibe und Teilchen entstehen täglich unter den flinken Fingern der Mangion-Brüder – auch süße Sachen wie Sesamkringel, Mandelplätzchen und Obsttörtchen. Sehr nahrhaft sind die Kannoli, frittierte Röllchen mit Ricotta und kandierten Früchten.

Als wir unsere Fahrt fortsetzen, vorbei an Kalksteinhäusermeeren, abgekämpft wirkenden Feldern mit Steinwällen gegen die Erosion, dann wieder Häusermeere, struppige Vegetation und Häusermeere, da fragen wir uns, wie es gehen kann, dieser Spröde Genießbares abzuringen – geschweige denn etwas so Reichhaltiges wie Olivenöl.

Für eine Verkostung desselben besuchen wir Sam Cremona in Wardija. Auf seinem Landgut können wir uns davon überzeugen, dass auf Malta sogar etwas wächst, von dem wir noch gar nicht wussten, das es existiert: weiße Oliven. Seit Cremona, der sein Geld früher als Diamantenschleifer verdiente, im Ruhestand ist, sind sie seine neuen Juwelen.

Für die Ölproduktion ist der Bestand allerdings noch zu klein. Macht aber nichts, denn das Öl der grünen Oliven ist köstlich genug: sämig, fruchtig und eine Nuance pfeffrig. Es wird in fast alle Gerichte gemischt und ist doch nur eine Zutat von vielen, die der maltesischen Küche ihre Schmackhaftigkeit verleihen. Es sind auch die zarten Kaninchen im Schmorgericht Fenek stuffat, die Ziegen, aus deren Milch der würzige Gbejna-‧Käse entsteht, und die Bienen, die den Nektar für den bernsteinfarbenen Thymianhonig liefern. Er schmeckt wie flüssige Sonnenstrahlen.
Pilar Aschenbach