Italien

Durch Kräuterkraft auftanken

Kräuterpädagogin Sigrid beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit den Heilkräften von Blüten, Bäumen, Flechten und Algen

In Südtirol das Wohlbefinden mit Pflanzenhilfe stärken

Kühe mögen Enzian nicht, denn bei vielen Arten schmecken auch die Blüten bitter

Leuchtend blau setzen kleine Gruppen von Enzianblüten Farbkleckse in die Alpenwiesen. Gelbe Anemonen und Trollblumen recken sich der Sonne entgegen. Die Wiesen in den Südtiroler Dolomiten explodieren in dieser Woche förmlich vor Blütenpracht. Doch die Natur rund um das Genießerhotel Sonnalp in Obereggen bei Bozen bietet nicht nur Augenschmaus.

„Unsere Alpenwiesen enthalten zahlreiche Schätze für Schönheit und Gesundheit“, weiß Botanikerin Sigrid Thaler Rizzolli. Viele der Kräuter und Alpenblumen können auch dafür sorgen, dass es uns gut geht, erklärt sie. Mehrmals pro Woche bietet die Kräuterpädagogin im Hotel Sonnalp eine mehrstündige Kräuterwanderung sowie einen Kräuter-Workshop an.

Dabei lerne ich etwa den Unterschied zwischen Aufguss, Kaltansatz und Abkochung bei Heiltees kennen. Und wann am Tag welche Kräuter und Pflanzen am besten gesammelt und wie sie am besten gelagert werden, um die wertvollen Inhaltsstoffe zu erhalten. Denn auf diese kommt es für den Nutzen an. Auch für Neulinge verständlich erklärt Kräuterexpertin Sigrid die wichtigsten Grundlagen. Als Diplom-Botanikerin legt sie Wert auf traditionelles Wissen kombiniert mit neuesten Studien. „Antioxidantien wie die Flavonoide in Ringelblume, Arnika und Brennnessel können den Alterungsprozess verzögern, die Durchblutung verbessern und gegen Pilze und Viren schützen“, sagt sie. Gerbstoffe, die etwa im Salbei vorkommen, helfen durch ihre adstringierende Wirkung bei Hals- oder Zahnfleischentzündungen. Und die Bitterstoffe etwa in Wermut, Engelwurz oder Arnika regen die Magensäfte und damit die Verdauung an.

„In unseren Bergen wachsen etwa 60 verschiedene Wildorchideen“, erklärt Kräuterfachfrau Sigrid. Bei der nächsten Wanderung zeigt sie uns die Unterarten Finger- und Hendelwurz aus der Familie der Knabenkräuter. Die Wildorchideen sind allerdings geschützt und müssen hier stehen bleiben. Im Wellness-Bereich des familiengeführten Vier-Sterne-Hotels mit 40 Zimmern und Suiten massiert mich Spa-Expertin Verena später mit einer Orchideen-Körperbutter aus kontrolliertem Pflanzenanbau. Der anfangs feste Klumpen verflüssigt sich unter ihren warmen Händen auf meiner Haut. Ein Hauch von Bergblumen umhüllt mich, als ich beim Dolomiten-Kräutertee im Wellness-Bereich nachruhe.

Thalers liebste Heilkräuter sind Schafgarbe, Ringelblume und Brennnessel. „Die drei haben so viele Talente“ begründet die Kräuterexpertin ihre Wahl. Schlaffördernd und ausgleichend sei unter anderem die weißblühende Schafgarbe, wundheilend die gelbe Ringelblume und Brennnessel sei das beste Kraut gegen Erschöpfung. „Mich freut besonders, wenn die Erkenntnisse aus den Kräuterwanderungen auch im Alltag weiterwirken“, sagt Thaler. Daher stellt sie in ihren Workshops mit den Hotelgästen einfach nachzumachende Mischungen wie Petersilien-, Ringelblumen- oder Thymiansalze oder Mischungen aus Rohrohrzucker mit Lavendel oder Minze her. Natürlich gibt sie auch Tipps, zu welchen Speisen diese besonderen Salze und Zucker bestens passen, um den Speiseplan zu Hause aufzupeppen. Ringelblumensalz kombiniert die genussfreudige Südtirolerin gern mit Eierspeisen und Reissalat, Gewürzzucker mit Apfelkompott und Weihnachtsgebäck.

Die gesundheitsstärkenden Produkte aus der Umgebung bestimmen auch den Speiseplan von Chefkoch Martin Köhl in der Hotelküche. Ob für das Panoramarestaurant mit Blick auf die Latemar-Berggruppe oder für die Gourmet-Stube, die der Gault Millau 2014 mit 15 Punkten auszeichnete: Als Zutaten für die abwechslungsreichen feinen Gerichte, die auf Grundlage modernster Ernährungslehre entwickelt werden, nutzt Köhl ebenfalls die Vielfalt der Gartenkräuter sowie die Blüten und Wildkräuter von den Almwiesen. Einmal ziert eine Thymianblüte den abendlichen Hauptgang, ein anderes Mal sind es frische Fichtennadeln. Selbstverständlich ist all dies nicht nur Dekoration, sondern darf mitgegessen werden.

Simone Spohr