Kroatien

Wo Hitchcock den Sonnenuntergang genoss

Bei einem Spaziergang entlang der Corniche können Zadar-Besucher der Meeresorgel lauschen.

Im kroatischen Zadar spazieren Urlauber über 2.000 Jahre alte Steine

Auch auf dem Fünfbrunnenplatz gibt es noch Überreste aus der Römerzeit. Fotos: ah

Schüchtern wirft er ihr einen Blick zu, lächelt. Der junge Mann und das Mädchen teilen sich eine Cola. Zwei gelbe Strohhalme schauen aus der Flasche hervor. Ein Date auf dem Nardodni Trg, dem Volksplatz von Zadar. Zwischen Ethnografischem Museum und Rathaus breitet sich der quadratische Platz aus. Auf dem Volksplatz treffen sich Verliebte zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Das hat Tradition in der mehr als 3.000 Jahre alten Stadt.

Ob bereits die Römer diese Tradition pflegten, ist nicht überliefert. Spuren haben sie in Zadar jedenfalls zuhauf hinterlassen. Sie eroberten die Stadt im 2. Jahrhundert vor Christus und bauten die Markenzeichen ihres Reiches: Kapitol, Therme, ein Aquädukt und Befestigungsanlagen. Noch heute werden römische Überreste in der Altstadt freigelegt, kürzlich wurde eine alte Basilika entdeckt. Vor zehn Jahren war darüber ein staubiger Parkplatz.

Im 13. Jahrhundert kamen die Venezianer über die Adria. Sie fällten die Wälder in Dalmatien und sorgten für das typische Bild der Region: Karstlandschaft mit sanften Hügeln. In Zadar behaupten die Bürger, Venedig wurde auf Holz aus Dalmatien gebaut. Die Stadtarchitektur ist eine extreme: Römische Überreste und mittelalterliche Mauern stehen neben klobigen Gebäuden sozialis‧tischen Baustils des jugoslawischen Diktators Tito. 80.000 Menschen leben im Zentrum Norddalmatiens.

Touristen erkunden die autofreie Altstadt, die sich auf einer Halbinsel erstreckt. Enge Gassen verbinden die Sehenswürdigkeiten. Zwischen der zweistöckigen Rundkirche St. Donatus und dem Archäologischen Museum spazieren Urlauber über 2.000 Jahre alte Steine aus der Römerzeit. Das Gotteshaus des Heiligen Donatus ruht auf dem Römischen Forum. Als Baumaterial dienten im 9. Jahrhundert Säulen aus der Antike.

Am Fünfbrunnenplatz wird jährlich unter den 300 Jahre alten Platanen ein Filmfestival veranstaltet. 1574 wurde der Platz über einer Zisterne angelegt, das Brunnen-Quintett versorgte die Einwohner bis ins 19. Jahrhundert mit Trinkwasser. Auf der Promenade hat Zadar eine Weltsensation: Architekt Nikola Basic errichtete 2005 eine „Meeresorgel“. 35 Orgelpfeifen verteilen sich auf 70 Metern unter der Corniche. Die Wellen der Adria pusten Luft in die Pfeifen und erzeugen sanfte Töne, die an Walgesänge erinnern.

Das gefiel den Stadtvätern so gut, dass Basic ein weiteres Kunstwerk installierte. Der „Gruß an die Sonne“ ist ein begehbarer Kreis aus 300 mehrschichtigen Glasplatten. Sie fangen Sonnenlicht ein und zelebrieren am Abend ein Lichtspiel.

Dieses Spektakel hat der Hollywood-Regisseur Alfred Hitchcock verpasst. Er lebte in den 1960er Jahren zwei Monate in Zadar. Eigentlich wollte er nur eine Nacht im Hotel Zagreb verbringen. Doch die Schönheit der Stadt bannte ihn. „Hier gibt es die schönsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe“, soll der Filmemacher gesagt haben.
Arne Hübner
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