Deutschland

Im hessischen Urwald

Die 42 Meter hohe Staumauer hält die Wassermassen des Edersees zurück.

Die 42 Meter hohe Staumauer hält die Wassermassen des Edersees zurück.

Auf Schusters Rappen einmal um den Edersee

Märchenhaft: Der Urwaldsteig führt durch dichte, menschenverlassene Wälder.

Märchenhaft: Der Urwaldsteig führt durch dichte, menschenverlassene Wälder.

Einen der letzten Urwälder Europas durchstreifen Wanderer in der Mitte von Deutschland. Im nordhessischen Waldeck-Frankenberg schlängelt sich der „Urwaldsteig Edersee“ auf rund 70 Kilometern durch jahrtausendealte Buchen- und Eichenwälder einmal rund um den malerischen Edersee. Den Fernwanderweg machen gemütliche Wanderer meist in sechs Tagen, ambitionierte meistern die Tour in drei Tagen.

Klassischer Startpunkt des Rundwegs ist die Burganlage Schloss Waldeck aus dem 12. Jahrhundert. Mächtig thront sie in exponierter Lage über dem Stausee. Vom Schlossplatz bietet sich Wanderern ein traumhaftes Panorama, und auch die ersten Wegstrecken werden überblickt. Wir lassen Waldeck hinter uns und tauchen in das stete Wechselspiel aus Wald und See ein. Das erste Ziel lautet Ziegenberg.

Stille unter Buchen
Wir wandern über rutschige Schieferplatten, klettern über umgefallene Baumstämme und erreichen den Aussichtspunkt Kanzel. Unter uns schimmert der tiefblaue Edersee. Durch dichte Wälder führt die Tour in das beschauliche Hemfurth. Immer wieder tun sich Blickachsen auf – auch auf die majestätische 42 Meter hohe Staumauer, die die Briten im Zweiten Weltkrieg zerstörten.

Von Hemfurth geht es in Serpentinen steil auf den Großen Hegekopf. Wir befinden uns mitten im 6.000 Hektar großen Nationalpark Kellerwald – ein Ort der Stille inmitten riesiger Buchen. Mutterseelenallein wandern wir über schmale Waldpfade bis nach Bringhausen. Am Ederseeufer tummeln sich Sonnenhungrige, Wassersportler segeln oder erkunden mit dem Schlauchboot einsame Buchten.

Von der hübschen Dorfkirche wandern wir zum Waldrand, wo der „Fünfseenblick“ für die Mühen belohnt. Wieder in der Wildnis Nationalpark führt der gut markierte Urwaldsteig durch das romantische Tal Wieslohgraben. Wir stoßen auf Pfingstnelken und Graslilien, queren die Banfebucht und steigen den Arensberg hinauf.

In Herzhausen ist die halbe Strecke geschafft. Wir befinden uns in offener Gemarkung bei der Stauwurzel – dem westlichen Ende des Edersees. Die Ederbrücke wird gequert und die Landschaft ähnelt einem weitläufigen Flussdelta. Von der Uferpromenade in Herzhausen blicken wir auf das Naturschutzgebiet Ederufer, das von Wasservögeln bevölkert ist. Nun werden die Wanderschuhe wieder fester geschnürt. Wir verlassen das Ufer, erklimmen einen Steilhang und queren unterhalb vom Hochstein eine riesige Blockschutthalde.


Skurrile Baumformationen
Bei Asel erreichen wir den Höhepunkt des Urwaldsteigs: den Knorreichenstieg. Traumhafte Ausblicke auf den sich schlängelnden See und skurrile Baumformationen lassen das Wanderherz höherschlagen. Die Tour führt hinab zur Niederweber Bucht. Gurgelnde Bäche lärmen im Tal. Dann geht es einmal mehr hinauf – auf die Mühlecke. Der Steilhang ist mit Flechten bedeckt. Langsam werden die Beine schwer. Müde erreichen wir die Waldecker Bucht und ihr Strandbad. Wir schwingen am Ende die schweren Knochen noch einmal steil auf den Schlossberg. Nach drei Tagen und 3.800 Höhenmetern ist das Plateau von Schloss Waldeck erreicht.

Arne Hübner