Spanien

Mallorca: Urlauber in Strömen

Blick durch die Straßen auf den Strand und die Bucht von Palma in Arenal. In Mallorcas wichtigstem Tourismusgebiet ist es derzeit proppenvoll.

Blick durch die Straßen auf den Strand und die Bucht von Palma in Arenal. In Mallorcas wichtigstem Tourismusgebiet ist es derzeit proppenvoll. Foto: ff

Auf der Insel ist es in diesem Sommer so voll wie nie zuvor

Wenn im Mallorca-Sommer mal nicht die Sonne scheint, läuten bei der Ortspolizei von Palma die Alarmglocken. Es läuft die „Operacion Nube“ an, die Operation Wolke.

Denn viele Urlauber ändern ihr Tagesprogramm – statt an den Strand geht es zum Shoppen und Sightseeing nach Palma. Die Einfallstraßen der Balearen-Hauptstadt verstopfen, ein Großaufgebot von Polizisten versucht, den Verkehr vor den Parkhäusern zu regeln. Vor der Kathedrale bilden sich lange Schlangen, auch an den Bushaltestellen – vor allem an denen der Linie 15, die zur Playa de Palma führt. Wenn dann noch mehrere Kreuzfahrtschiffe anlegen – der Rekord liegt bei acht großen Pötten – wird es richtig voll.

Für die sommerliche Überflutung, die dieses Jahr einen neuen Rekord erreicht, gibt es einen eigenen Ausdruck im Spanischen, die „poblacion flotante“, die „schwimmende Bevölkerung“. In diesem Jahr schwappen noch einmal mehr als zwölf Prozent mehr auf die Insel als im vergangenen Jahr. Im Juni waren es 1,9 Millionen Urlauber auf den Balearen, im ersten Halbjahr bereits fünf Millionen.

Die Urlauber ballen sich vor allem in den Hochburgen an der Playa de Palma, im Südwesten und an der Ostküste, verstopfen aber auch Bergdörfer wie Valldemossa oder Deia und stürmen Naturstrände wie Es Trenc oder Cala Varques, wo es chaotisch beim Parken zugeht. Die Mallorca-Kenner unter den Urlaubern wissen aber auch, welche Orte sie meiden sollten, um ihren Urlaub zu genießen. Eine Faustregel könnte etwa lauten: Je weiter der Fußweg zu einem Strand, desto idyllischer.

Am Limit
Um die Touristenströme in Palmas Innenstadt zu entzerren, läuft seit Kurzem versuchsweise ein Abkommen mit der Reederei der Harmony of the Seas, dem derzeit größten Kreuzfahrtschiff, das jeden Montag anlegt. Die Landgänger werden direkt zur Placa d’Espanya gebracht, um die Innenstadt von dort aus zu erkunden. In Planung sind weitere alternative Routen, die ohne Kathedrale und Almudaina-Palast auskommen.

Sorgen bereiten vor allem Ressourcen und Infrastruktur. Stichwort Wasser: Nach einem regenarmen Winterhalbjahr hat die Landesregierung einen Aktionsplan gestartet, um den Sommer durchzustehen – der Verbrauch der Urlauber ist just dann am höchsten, wenn es am wenigsten regnet. Die drei Entsalzungsanlagen der Insel in Palma, Port d’Alcudia und Camp de Mar, die während der vergangenen Jahre wegen der hohen Betriebskosten und der Haushaltskrise auf Sparflamme liefen oder ganz still standen, arbeiten seit dem Frühjahr am Limit. Investitionen sind dringend nötig im Fall der Kläranlagen, von denen viele im Sommer nicht mehr nachkommen.

Im Winter ist es auch schön
Kopfzerbrechen bereitet zudem die Ferienvermietung. Offiziell erlaubt ist sie nur in registrierten, freistehenden Häusern. Im Zuge des Booms von Airbnb & Co hat aber auch die Vermietung von Apartments an Urlauber massiv zugenommen. Langzeitmieter haben es nun schwerer, eine Wohnung zu finden. Das zeigt sich etwa in der Gemeinde Pollenca, einer Hochburg der Ferienvermietung – die Angestellten der Hotels fänden nur schwer eine Bleibe, heißt es im dortigen Rathaus.

Auch in Palma macht man sich Sorgen. Die balearische Linksregierung hat eine Regulierung des Markts versprochen, bei der die Gemeinden mitentscheiden sollen, wo an Urlauber vermietet werden darf. Doch wegen der juristischen Fallstricke dürfte sich die Umsetzung hinziehen.

Genauso wie das ewige Vorhaben der Landesregierung, die Nebensaison zu beleben und die Urlauber stärker im Winter anzulocken – mit Wandern, Golf oder Kultur statt Strand und Sonne. Auch hier gibt es ein schönes Wort im Spanischen: Die angestrebte „desestacionalizacion“ ist fester Bestandteil jeder Rede eines Tourismusverantwortlichen auf Mallorca.

Denn das Problem ist letztendlich nicht die Zahl der Urlauber, sondern ihre schlechte Verteilung übers Jahr, wie die Tage mit der höchsten und geringsten Personenzahl zeigen. Zählte das balearische Statistikamt im Dezember 2015 nur 850.000 Einwohner und Urlauber gleichzeitig auf Mallorca, liegt der Rekord bei 1.425.063 Personen am 4. August 2015. Dass er dieses Jahr gebrochen wird, gilt als sicher.
Frank Feldmeier
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