Bahamas

Im Land der Churchaholics

Insider sagen, die Nassauer Rum Cake Factory hat den besten Rumkuchen.

Insider sagen, die Nassauer Rum Cake Factory hat den besten Rumkuchen.

Bahamas: Der Inselstaat im Nordatlantik überrascht mit extremen Kontrasten

Raymond nimmt mehrmals im Jahr am People-to-People-Programm teil.

Raymond nimmt mehrmals im Jahr am People-to-People-Programm teil.

Beliebtes Fortbewegungsmittel auf den Bahamas: schicke Katamarane.

Beliebtes Fortbewegungsmittel auf den Bahamas: schicke Katamarane.

Das Atlantis-Resort auf Paradise ?Island bietet Delfinschwimmen an. Fotos: pa

Das Atlantis-Resort auf Paradise Island bietet Delfinschwimmen an. Fotos: pa

Über dem Wohnviertel bei Nassau hängt die Trägheit eines Sonntagnachmittags. Die Ventilatoren schnurren, wir sitzen im Veranda-schatten bei einem „Switcher“ zusammen. Yvette hat die Bahamas-typische Limonade kredenzt, ein erfrischendes Getränk aus Limonensaft, einer gehörigen Portion Zucker und Eiswürfeln bis zum Glasrand. Um uns herum ein grünes Gartenidyll, derweil sie von den Müll- und Energieproblemen der Inseln erzählt. Ein sprudelnder Vortrag aus dem Stegreif, denn Yvette arbeitet als Generaldirektorin für einen Trinkwasserhersteller in der bahamaischen Hauptstadt Nassau auf der Insel New Providence. „Die Regierung redet viel über regenerative Energie“, sagt sie und kräuselt die Stirn, „aber passiert ist erst wenig.“ So erklärt sich, warum man auf den Dächern keine Solaranlagen entdeckt, obwohl die Bahamas vor der Küste Floridas sonnenverwöhnt sind.

Unwahrscheinlich, dass der normale Bahamas-Tourist auf Yvettes Gartenmöbel gelandet wäre, gäbe es nicht seit mehr als 30 Jahren das People-to-People-Programm. Es geht auf eine Initiative des Tourismusministeriums zurück, um Einheimische und Touristen zu einem kulturellen Austausch zusammenzuführen: für einige Stunden oder auch für einen ganzen Tag. Wer teilnehmen will, meldet sich einfach unter www.bahamas.com an. Geld ist nicht im Spiel: Weder wird der Gast zur Kasse gebeten noch erhalten die Gastgeber eine Entlohnung. Yvettes Bruder Raymond Dames lässt sich ungefähr viermal im Jahr auf ein Blind Date mit Fremden ein. Er hat mich vormittags am Sheraton Hotel aufgelesen und mit auf eine Inseltour genommen – vorbei am Clifton Heritage Park mit Resten eines Sklavendorfes, an Low-Cost-Siedlungen, protzigen Villen und unzähligen Kirchen.

Etwa eine halbe Autostunde von Yvettes Haus entfernt taucht Atlantis am Horizont auf. Weithin sichtbar ragen die blassbraunen Hoteltürme in den Himmel, die Teil eines Urlaubsimperiums auf der vorgelagerten Insel Paradise Island sind. Die ersten Gebäude wurden 1994 errichtet, heute gehören zu Atlantis 3.500 Betten, ein Golfplatz, ein Kasino und ein Wasserpark.

Neuerdings können Gäste in einer künstlichen Lagune auch mit Delfinen plantschen. Mit besserem Gewissen als hier, wo sich die Tiere in kleinen Becken drängen, geht das allerdings auf Blue Lagoon Island. Im Preis von 185 US-Dollar sind der Bootstransfer und das Delfinschwimmen inbegriffen. Gegen die Übernachtungsrate von 25.000 US-Dollar für die Bridge-Suite, die sich zwischen den Türmen des Atlantis-Hotels Royal Towers wölbt, sind das freilich Peanuts.  Auch nicht gerade ein Schnäppchen: Für 500 US-Dollar kann man am Strand von Atlantis Bungalows tageweise buchen – zum Umkleiden, Chillen oder was auch immer.

Überhaupt sind die Bahamas kein Günstigziel, was mit hohen Kosten an mehreren Stellen der Wertschöpfungskette zusammenhängt. So werden fast alle Nahrungsmittel importiert. Wer sich eine Besonderheit mitnehmen will, muss sich lediglich zwischen Rumkuchen, Strohhüten und „Kalik“-Bier entscheiden. Der große Rest in den Andenkenläden wird aus Asien eingeflogen: Schneekugeln, T-Shirts, Schmusetiere, Schlüsselanhänger. Die flamingofarbene Conch-Muschel steht dort ebenfalls herum, jedoch ist die Ausfuhr aus Artenschutzgründen verboten. Dafür kommt die Meeresfrucht umso häufiger auf den Tisch – als Salat, in Suppen oder zu Bällchen frittiert.

Eine Welle von Kreuzfahrttouristen flutet das Atlantis-Hotel Royal Towers und kanalisiert sich in den Gängen des Aquariums, das von der Lobby bis zum Wasserpark „Aquaventure“ führt. Im Hafen von Nassau können bis zu sieben Schiffe gleichzeitig ankern, was wie ein Familientreffen von Pottwalen aussieht. Aus ihren Bäuchen strömen jedes Jahr mehrere Millionen Besucher, die meisten kommen aus Amerika. Auch von den Flugpassagieren stranden viele auf New Providence. Dabei sind die „Out Islands“, zu denen etwa Harbour Island zählt, mit kleinen Fluggesellschaften schnell zu erreichen. Und man wird mit Kontrasten belohnt.

In der Kirche von Harbour Island hantiert eine Frau mit Bananen herum. Morgen will die Gemeinde ein Erntedankfest veranstalten, weswegen das Gotteshaus mit Früchten geschmückt wird. Die Bahamaer sind fleißige Kirchengänger, denn die Kirche ist nicht nur zum Beten da. Sie ist auch der Ort, an dem man zeigen kann, „wie groß der Hut ist, den man besitzt“. So hatte es Raymond auf der Inselrundfahrt erklärt. „Wir Bahamaer sind Churchaholics.“

Auf Harbour Island gibt es aber auch nicht viel anderes zu tun, als die Hände in den Schoß zu legen. Die Läden heißen „Dilly Dally“ und „Pigly Wigly“, alles ist niedlich und friedlich. An den Stränden kann man sich weißen Pudersand durch die Zehen rinnen lassen, das Meer leuchtet smaragdgrün. Luxuriös logiert man in der Bungalow-Anlage Pink Sands, wo die Blue Bar direkt an die Küste lockt. Kellnerin La Toya schenkt uns mit den Getränken reinen Wein ein. Die Insel sei ihr zu eng geworden, klagt die 32-Jährige ihr Leid. „Auf Harbour Island weiß jeder über jeden Bescheid.“ Ihr größter Wunsch: „Weg von hier, irgendwohin.“ Der Tourist dagegen fühlt sich im Paradies auf Zeit.
Pilar Aschenbach
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