Jamaika

Warmer Empfang unter karibischer Sonne

Michelle und Mervin Williams in ihrem Garten.

Meet The People bringt Touristen und Einheimische auf Jamaika zusammen

Der Autor und die Gastgeberin. Fotos: mc

„Soon come“ – ein geflügeltes Wort auf Jamaika. Eine Mischung aus „Wird schon!“ und „Komm ich heut’ nicht, komm ich morgen“. Michelle Williams aber kommt pünktlich. Sie nimmt den ausländischen Besucher mit einem warmen, herzhaften Lachen in Empfang: Willkommen auf Jamaika!

Mrs. Williams ist Mitglied beim Programm Meet The People (MTP). Entwickelt auf Initiative des Jamaica Tourist Boards. Die kostenlosen Treffen bringen Touristen und Einheimische zusammen, abseits der Hotelanlagen und Apartments. Besucher können somit die karibische Insel von einer privaten Seite kennenlernen. Den echten Alltag der Jamaikaner.

Zumindest den derer, die über die Möglichkeiten verfügen, Gäste in einer angenehmen Atmosphäre zu empfangen und nach Absprache zu Freizeitaktivitäten begleiten. Touristen können bei ihrer Anmeldung über die Website unter www.visitjamaica.com Wünsche zur Programmgestaltung äußern. Sofern möglich, wird darauf eingegangen. Das kann der Besuch eines Cricket- oder Fußball-Matches sein, ein Kochkurs, ein Schulbesuch oder einfach eine Unterhaltung über Gott und die Welt – und natürlich Jamaika. Die Gastgeber sind fast alle Angehörige der Mittel- und Oberschicht: kultiviert, interessiert und kontaktfreudig.

Wie Mrs. Williams, die darüber hinaus mit tollen Kochkünsten gesegnet ist. Und einem unterhaltsamen Gatten. Mervin Williams unterstützt das Hobby seiner Frau. Er unterhält den Gast mit Alltagsthemen und schmissiger Reggae-Musik, während seine Frau in der Küche den kulinarischen Rahmen zaubert: einen Drink aus Früchten aus dem eigenen Garten, natürlich getunt mit weißem Rum. Danach jamaikanische Speziali‧täten wie Jerked Chicken. Das gegrillte Hühnchen ist nach Bob Marley, Usain Bolt und dem Jamaika-Kolibri eines der Nationalheiligtümer.

Und fürwahr eine leckere Sache. Nicht zuletzt weil Mrs. Williams einen Catering-Service betreibt und weiß wie man Gäste bewirtet. „Ich liebe Menschen und ich liebe mein Land“, sagt sie. Was liegt da näher als beides zu verbinden und Fremden ihre Heimat und ihr Wohnzimmer zu zeigen?

Und wenn es sein muss, sogar den Weg zur Waschmaschine. Weil es der Gast vor dem Treffen nicht mehr rechtzeitig zum Waschsalon geschafft hat, schmeißt Mrs. Williams kurzerhand alles in die Trommel. Wärme ist auf Jamaika offenbar nicht nur ein klimatisches Phänomen sondern dank Meet The People auch ein sehr menschliches. „Wir Jamaikaner helfen gern“, sagt Mrs. Williams.

Etwa Touristen aus der Sterilität und Anonymität ihrer Unterkunft zu holen. Und dazu zu animieren, Jamaika abseits der Trampelpfade zu erkunden. Einige hundert Freiwillige, Botschafter genannt, nehmen an der Initiative teil. Verstreut über das ganze Land. „Es ist uns wichtig, registrierte Mitglieder auch außerhalb der üblichen Touristenzentren zu haben“, sagt MTP-Mitarbeiter George Douglas. Also außerhalb von Negril, Montego Bay oder Ocho Rios. Ihr Lohn sind die Dankbarkeit der Besucher und eventuell kleine Gastgeschenke.

Douglas ist Koordinator von Meet The People mit Sitz in Montego Bay. Sein Büro bearbeitet auch Anfragen von Reiseveranstaltern. Diese können die Treffen in die Reiseabläufe einbauen. „Es lohnt sich, selbst wenn das Programm sehr straff ist“, versichert Douglas. Und selbst, wenn man nur Englisch-Grundkenntnisse besitzt. Zur Not hilft man sich mit Händen und Füßen weiter. Schon viele Gäste hätten ihm hinterher geschrieben, dass das Treffen mit Einheimischen das absolute Highlight ihres Jamaika-Urlaubs gewesen sei.

Dabei geht es dem Programm nicht darum, die soziale Realität zu übertünchen. Die Insel ist nicht an jeder Ecke einfach zu nehmen. Darüber sind sich die Macher von Meet The People im Klaren. Brennpunkte und Orte mit aufdringlichen Verkäufern werden jedenfalls vermieden. Aber sie sind eben auch nur ein Teil Jamaikas. Der andere besteht aus Herzlichkeit und frisch gewaschener Wäsche.
Martin Cyris