USA

Washington: Willkommen in Obama-Town!

Obama, wohin man nur schaut: Der neue Sonnyboy der amerikanischen Politik begegnet dem Washington-Besucher derzeit an jeder Ecke.

Obama, wohin man nur schaut: Der neue Sonnyboy der amerikanischen Politik begegnet dem Washington-Besucher derzeit an jeder Ecke. Foto: hw

Die US-Hauptstadt ist nach der Präsidentenwahl mega-in

Die für den US-Tourismus unrühmliche Ära von George W. Bush geht zur Neige, und Barack Obama hat praktisch schon jetzt das Zepter übernommen. Seit dem 5. November befindet sich die Landeshauptstadt Washington in einer bislang unvorstellbaren Aufbruchstimmung. Wer spüren will, zu welchen fundamentalen Änderungen diese über 200 Jahre alte Demokratie fähig ist, der muss jetzt nach Washington D.C. reisen.

An den Häuserwänden sieht man riesige Obama-Gemälde, die Souvenirgeschäfte bieten nahezu ausschließlich Obama-Motive an und der große Reiseartikel-Shop im Hauptbahnhof, der Union Station, hat sogar seinen Namen umgeändert. Er heißt jetzt „Making History“. Wer dort mit dem Zug vom Flughafen ankommt, sollte sich schnell ein „I Love Obama“-T-Shirt kaufen. Das sorgt sofort für einen jubelnden Empfang, egal, wo man hinkommt.

Auf jeden Schritt und Tritt spürt man das neue „Yes, we can“. Die Stadt strotzt nur so von neuer Dynamik und Selbstvertrauen. Jedes Museum, jedes Hotel und jedes Restaurant versucht auf irgendeine Weise, eine Brücke zu Obama zu schlagen. Vorbei ist Washingtons graue, dumpfe Beamten-Atmosphäre. Stattdessen sieht man viele lachende junge Leute, die aus dem ganzen Land anreisen, um der neu erwachten „Obama-Stadt“ ihre Ehre zu erweisen.

Im Szeneviertel Georgetown und auf der beliebten Shopping-Meile, der U-Street, trifft man sie in den Cafés oder in den lateinamerikanischen Restaurants. Starwood hat den Trend schnell erkannt und macht jetzt aus dem verstaubten „Hotel Washington“ ein schickes „W“. Das wird dann das nächste Hotel zum Weißen Haus sein.

Die Kehrseite des neuen Pilgertums: Für den Tag der Vereidigung, am 20. Januar, rechnen die Organisatoren mit einem totalen Zusammenbruch der Infrastruktur. Die letzten Schätzungen gehen von fünf Millionen Besuchern aus, die in irgendeiner Form „dabei gewesen sein wollen“. Hotelzimmer gibt es inzwischen nur noch in einer Mindestentfernung von 150 Kilometern in West Virginia und Pennsylvania. Alle Züge zur Union Station sind ausgebucht, und auch die Busunternehmer melden: „Nichts geht mehr!“

Wer eine Reise nach Washington plant, sollte also diesen Tag auf jeden Fall meiden. Stattdessen bieten sich entferntere Reiseziele an – Baltimore etwa. Der traditionsreiche Nachbar im Norden bietet einen interessanten Einblick in die US-Geschichte. Beispielsweise entstand die Nationalhymne hier im Hafen, nachdem die letzte Schlacht gegen die Engländer gewonnen wurde.

Apropos: Der alte Hafen ist komplett saniert worden. Wo einst Ozeanriesen festmachten, schaukeln heute teure Yachten. Die Lagerhäuser sind den Luxusapartments von Ritz Carlton gewichen, und im einstigen Kraftwerk hat sich das Hardrock-Café einquartiert. Die größte Attraktion ist jedoch das Meeresaquarium.

Baltimore hat übrigens eine über 200 Jahre alte deutsche Tradition, was man noch an der Kirche gegenüber der City Hall erkennt: Dort predigt der aus Hamburg stammende Pastor Holger Roggelin jeden Sonntag vor einer deutschstämmigen Gemeinde.
Harald Weiss