Kanada

Kanadas bestgehütetes Geheimnis

Begehrte Plätze: Gute Aussicht im Panoramawagen des Skeena

Unterwegs im Panoramazug Skeena durch die Rocky Mountains

Bekannt: Eingesetzt werden die gleichen Waggons wie beim The Canadian. Fotos: hs

Es ist wie der Auftakt zu einem Western: Tutend und mit stampfendem Geräusch rollt der „Skeena“ Richtung Nordwesten aus dem Bahnhof von Jasper in der kanadischen Provinz British Columbia. Langsam scheinen im Hintergrund die majestätischen Gipfel der Rocky Mountains vorbeizugleiten. Das verglaste Oberdeck des chromblinkenden Panoramawagens am Ende des Zuges ist voll besetzt. Fotoapparate klicken.

Stewart Jeff serviert derweil Afternoon Tea. Er kann sich ganz auf die randvollen Becher konzentrieren. Er kennt das Szenario draußen auswendig und kann manchmal sogar anhand der Fahrgeräusche erkennen, auf welchem Streckenabschnitt sich der Zug gerade befindet: Auftakt zu einer 1.160 Kilometer langen Eisenbahnreise abseits der gängigen Routen durchs Gebirge in Richtung Pazifik.

Skeena ist ein Wort aus der Sprache der ‧Indianer und wird übersetzt mit „Fluss durch den Morgennebel“. In Serpentinen windet sich der Zug mit maximal Tempo 60 durch die Berge, erklimmt zunächst den Yellowhead-Pass, ehe er gut 32 Stunden später den Küstenort Prince Rupert nicht weit von der Grenze zu Alaska erreicht haben wird.

Dreimal wöchentlich verbindet der Skeena mit seinen polierten Waggons aus den 50er Jahren, die man auch vom bekannten Transkontinentalzug The Canadian kennt, Jasper und Prince Rupert miteinander. Knapp über sechs Stunden dauert die erste Etappe bis Prince George. Über Nacht bleibt der Zug dort im Bahnhof, während die Passagiere in Hotels unterkommen und sich am nächsten Morgen um kurz vor acht wieder am Bahnsteig einfinden müssen.

Mehr als 13 weitere Fahrstunden ist der Zug bis zur Pazifikküste von Prince Rupert unterwegs: eine Fahrt quer durch eine Landschaft, in der sich seit Ankunft der ersten Siedler nicht viel verändert hat. „Kanadas bestgehütetes Geheimnis“ – mit diesem Slogan hat die nationale Bahngesellschaft Via Rail den Skeena beworben, Touristen als Zielgruppe entdeckt und den Fahrplan umgestellt. Seitdem rollt er nur bei Tageslicht durch die Rocky Mountains und später durch die Coast Mountains – deshalb die Hotelübernachtung auf nicht mal halbem Weg.

Kaum hat der Skeena am nächsten Morgen Prince George hinter sich gelassen, umklammert wieder unberührte Natur die Gleise. Seen ohne Häuser am Ufer, Landschaften ohne Wanderwege: Der dünn besiedelte Norden von British Columbia. Ein Seeadler-Pärchen dreht seine Runden hoch über dem Zug. Wenig später wechseln die Wiesen mit steilen Felswänden und breiten Flüssen. Die Uferstreifen bestehen aus Geröll abgetauter Gletscher, Wasserfälle prasseln in die Tiefe. Die Durchquerung der Coast Mountains, letzte Etappe vor Prince Rupert, ist nicht minder spektakulär als die Fahrt durch die Rockies.

Nach 34 Stunden ist er da. Er taucht am Horizont auf, wird zwischen den tannenbewachsenen Inselchen immer mächtiger, schickt seine salzigen Wellen in den Fjord hinein, an dessen Ufern die Eisenbahngleise verlaufen: der Pazifik. Ein paar Kilometer noch bis Prince Rupert, das Tor zur bekannten Inseltwelt der Inside Passage. Zwei Stunden Verspätung hat Lokführer Arnie diesmal eingefahren. Und jeder an Bord ist ihm dafür dankbar.
Helge Sobik
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