Ecuador

Ecuador: Regenwald mit allen Sinnen

Von der Tapir Lodge aus wird der Regenwald erkundet.

Von der Tapir Lodge aus wird der Regenwald erkundet. Foto: heu

Ein Besuch im Cuyabeno-Nationalpark

Das Zirpen der Zikaden schwillt an, es klingt, als würde ein Platzregen niederprasseln. Zigtausende von knatternden Insekten scheinen in den Bäumen und Sträuchern zu stecken. Zu hören ist die vieltausendstimmige Symphonie des Dschungels vor allem nachts – dann, wenn die Schreie der Aras und Tukane verstummt sind und kein Motorboot auf dem Rio Cuyabeno das Konzert der Natur stört. Im Wohnturm der Tapir Lodge ist der Besucher nur durch dünne Bretter von der nächtlichen Symphonie getrennt. Das vielstimmige Trommeln und Klopfen, hier wirkt es nicht beängstigend, sondern beruhigend. Schließlich befindet sich die Lodge im Nordosten des ecuadorianischen Amazonas-Regenwalds – und zwar inmitten des Cuyabeno-Nationalparks. Am nächsten Tag bringt der Lodge-Betreiber Kurt Beate eine Besuchergruppe zu einem Waldstück in der Nähe des Ortes Puerto Bolivar. Gummistiefel sind Pflicht, schließlich wandert die Gruppe nicht nur über „terra firme“, sondern auch durch die Varzea, den teilüberfluteten Regenwald. Über 800 Jahre alte Kapokbäume stehen hier – mit gigantischen Wurzeln, die viele, viele Meter breit sind. „Diese Bäume haben ein sehr weiches Holz, deswegen werden sie nicht gefällt“, erläutert Beate, der schon viele Exkursionen zu den verstecktesten Winkeln des Regenwaldes unternommen hat. Bei über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit haben sich hier einzigartige Lebensgemeinschaften entwickelt: Bromelien, die als Aufsitzer auf Bäumen wachsen und in deren Blüten kleine Frösche leben. Inmitten des Regenwaldes lenkt Beate die Aufmerksamkeit der Besucher immer wieder auf die kleinen Dinge. Führer Beate doziert nicht, er lässt seine Besucher – den Riesentausendfüßler auf der nackten Haut, die Nase an der weißen Ingwerblüte oder am roten Kelch des Papageienschnabels – den Regenwald betasten und fühlen, riechen und schmecken. Das wichtigste Fortbewegungsmittel, mit dem Indiodörfer, Exkursionspfade sowie Lodges und Camping-Plätze im Cuyabeno-Naturpark erreicht werden, ist das Boot – und das ist fast immer mit einem Motor ausgestattet. Doch wenn Beate einen Wink gibt, stellt der Bootsführer den ratternden Zweitaktmotor ab. Zum Beispiel, weil er am Ufer eine Gruppe Totenkopfäffchen erspäht hat, die kurz darauf an in der Luft hängenden Zweigen den Fluss überqueren. Doch es sind nicht nur die besonders flinken oder die großen Tiere – wie die am Flussrand deutlich zu erkennenden Roten Brüllaffen – von denen die Besucher fasziniert sind. Auch der blau schimmernde, im Sonnenlicht glänzende Morphofalter, der tänzelnd über die Wasseroberfläche fliegt, erntet verzückte Bewunderung.
Rainer Heubeck