Ecuador

Friedenstaubenwolken über der Plaza Grande

Die Virgen del Panecillo wacht über Quito.

Die ecuadorianische Hauptstadt Quito hat ihren Kulturschätzen neuen Glanz verliehen

Die Plaza de la Independencia mit dem Unabhängigkeitsdenkmal.

Mädchen vor der Kathedrale.

Kräuterstand in der Markthalle Santa Clara.

Tuchverkäuferin auf dem San-Francisco-Platz. Fotos: pa, Daniel Kempken/pixelio

Über die Plaza de la Independencia spannt sich ein leuchtend blauer Himmel. Wie eine Schar Friedenstauben schweben watteweiße Wolken vorüber. Auf den Bänken stecken Pensionäre ihre grauen Schöpfe zusammen, um den Brunnen hopsen eisverschmierte Kinder. Geschäftsmänner lesen Zeitung, Indiofrauen mit Kindern auf dem Rücken schwenken Tücher vor Touristinnen.

Die Plaza Grande, wie das Karree im Altstadtherzen von Quito auch genannt wird, ist eine gepflegte Insel im stickigen Hauptstadtverkehr. Hier treffen sich die Quitenos im Palmenschatten zum Plaudern und Pausieren, hier zücken Touristen ihre Kameras, um herausgeputzte Kolonialarchitektur zu fotografieren - den säulengeschmückten Präsidentenpalast, der eine Achse mit dem Rathaus bildetet, und die zuckergussweiße Kathedrale, die gegenüber dem Bischofspalast steht.

Im Zentrum der Machtzentralen ragt das neoklassizistische Monument der Unabhängigkeit auf, ein schlankes Säulenkonstrukt mit der Göttin Libertas in Fackelträgerpose. Zu ihren Füßen setzt ein Kondor zum Fluge und ein Löwe zum Abgang an - Symbole für die Befreiung Ecuadors von den spanischen Konquistadoren im Jahr 1822.

Man könnte meinen, dass die urbane Idylle auf der Plaza Grande schon seitdem währt - wäre nicht das Gegenteil dokumentiert. Auf die legendäre Schlacht an den Hängen des Hausvulkans Pichincha, die den Sieg des südamerikanischen Landes über die spanische Armee markiert, folgte eine politische Achterbahnfahrt mit vielen Tiefpunkten - Putschen und Protesten, Morden und Meutereien, Staatsstreichen und einer Militärdiktatur. Eben dort, wo auf dem Platz der Unabhängigkeit heute Kinder toben, wurde 1875 Präsident Garcia Moreno mit Macheten und Revolverschüssen niedergestreckt. Er befand sich gerade auf dem Weg in den Regierungspalast zu seinem dritten Amtsantritt.

Bis ins 21. Jahrhundert fanden die Machtwechsel unregelmäßig statt. "Ich habe noch keine stabile Regierungsperiode miterlebt", erzählt unser Reisebegleiter Boris Siebert. Der Frankfurter zog vor 19 Jahren für ein Ethnologiestudium nach Quito, heute zeigt er mit seiner Agentur Latina Real Tours Touristen die Vielfalt Ecuadors. Auch unter dem regierenden Präsidenten Rafael Correa sind die Krawalle nicht ausgeblieben. Doch selbst dessen Kritiker meinen, dass sich in letzter Zeit einiges zum Besseren gewandelt hat. Die Chancen für eine Wiederwahl im Februar stünden nicht schlecht, heißt es.

"Endlich wird auch wieder in die Sehenswürdigkeiten Quitos investiert", sagt Siebert. Und deren Liste ist um vieles länger als die der ecuadorianischen Staatsoberhäupter. Bereits 1978, als die Unesco zum ersten Mal ihren Welterbetitel vergab, erntete Quito das begehrte Prädikat. Allein fast 90 Kirchen zählt das "Kloster Amerikas". Als die zweitgrößte Metropole Ecuadors dann auch noch "Kulturhauptstadt Amerikas 2011" werden sollte, erfuhr das Centro Historico eine Generalüberholung: Fassaden wurden frisch gestrichen, verlotterte Gassen aufgeräumt, Museen modernisiert und die Blattgoldkirchen aufpoliert.

Von der Plaza Grande sind es nur wenige Gehminuten bis zur Jesuitenkirche La Compania, die als kostbarstes Juwel der mit spanischem und indigenem Erbe prall gefüllten Altstadtschatztruhe gilt. Schon die Vulkansteinfassade voller maurisch-barockem Zierwerk ist ein Meisterstück, aber noch nichts gegen den Blattgoldbombast und die opulente Ornamentik in den Kirchenschiffen. Die hohen Decken wirken wie mit Brokatstoff ausgekleidet, so filigran sind die Muster. Der gleißend goldene Altar hingegen schwelgt im Churrigueresco-Stil, einem Barockformenrausch der Superlative.

Hoch droben schaut zwischen salomonischen Säulen ein Rauschebartgott herab, der eine Weltkugel unterm Arm trägt und mit dem Unterkörper in einer Wolke verschwindet, aus der eine Schar Engelchen hervorlugt. Dreht man diesem Arrangement den Rücken zu, erblickt man zwei Wendeltreppen, von denen die eine echt und die andere eine perfekte Trompe-l'oeil-Malerei ist. Auch die riesigen Gemälde mit Szenen drakonischer Bestrafungen, dass die blutrote Farbe nur so spritzt, sind wirklichkeitsgetreuer, als es zartbesaiteten Betrachtern lieb ist.

Von der Jesuitenkirche ist es wiederum nicht weit bis zur Plaza San Francisco mit der gleichnamigen Kirche, die auf den Ruinen eines Inka-Palastes errichtet wurde und die Gründung der Stadt 1534 kennzeichnet. Bei den Quitenos ist der weitläufige Platz für Versammlungen aller Art beliebt, von Konzerten bis zu politischen Kundgebungen. Heute ist jedoch alles wie leergefegt, nur einige Touristen mit Tuchverkäuferinnen im Gefolge schlendern über das Kopfsteinpflaster. Wer sich unters Volk mischen will, muss also anderswo hin.

Zum Beispiel in die Santa-Clara-Markthallen. An den Ständen türmen sich Berge von Obst- und Gemüsesorten in exotischer Farben- und Formenvielfalt. Grüne, gelbe und rote Früchte mit Noppen, Haaren und Dornen sind zu waghalsigen Pyramiden aufgestapelt - wehe dem, der seine Wunschfrucht an der falschen Stelle herauszieht! Nebenan schmoren Schweine mit allem Drum und Dran, die knusprigen Ohren sehen wie Chips aus.

Dahinter beginnt das Reich der Kräuterhexen, ein duftendes Chaos aus Büscheln und Päckchen mit Gewürzen und Heilkräutern, aus denen ein Schilderwald mit Gebrauchsanweisungen ragt. Die wulstigen gelben Wurzeln sollen gut für die Prostata sein, und gegen Lebensfrust im Allgemeinen hilft Ayahuasca, die Geisterliane: Die knorrigen Stängel in Wasser kochen, den Sud trinken - und fertig ist die Halluzination.

Der beste Blick auf Quito bietet sich von der "Jungfrau des Brötchens", die von einem semmelförmigen Hügel über das bunte Treiben wacht. Von unten erscheint die Madonnenstatue wie eine Setzkastenfigur, doch in Wirklichkeit ist sie ein 43 Meter hohes Metallmonstrum aus Tausenden Teilen. Weit über die mit 2.850 Metern höchstgelegene Hauptstadt der Welt reicht die Aussicht von dem Brötchenberg, bis zu den Wolkenkratzern der Neustadt Mariscal im Norden und der schneebedeckten Kuppe des Cotopaxi im Südosten.

Nur maximal vier Kilometer breit, aber fast 50 Kilometer lang erstreckt sich Quito in einem Becken der Anden. Im Norden gelangt man alsbald zum Äquatordenkmal und im Süden zu den größten Feuerbergen des Landes. Etwa eine Fahrtstunde in östlicher Richtung liegt die größte Baustelle der 1,5-Millionen-Einwohner-Metropole: der neue Flughafen, der erstmals auch Transatlantik-Flüge möglich machen soll. Die Eröffnung hat sich mehrfach verschoben, jetzt auf den 20. Februar. Der alte, innenstadtnahe Flughafen soll nach seiner Stilllegung zur größten Grünanlage Quitos umgestaltet werden.

Über dem Präsidentenpalast auf der Plaza de la Independencia bauscht sich die dreifarbige Fahne Ecuadors - Gelb als Symbol für die Sonne, Blau für den Himmel und Rot für das Blut, das in den Unabhängigkeitskämpfen vergossen wurde. Jedes Jahr zu Ostern zieht unten auf der Calle Moreno die Karfreitagsprozession vorbei - ein Spektakel, das an die Höllengemälde aus den Kirchen erinnert. Die Büßer tragen Dornenkronen auf den Häuptern und Eisenketten um die bloßen Füße, wuchten mächtige Holzkreuze durch die Straßen, binden sich Kakteen auf den nackten Rücken und winden sich Stacheldraht um die Brust.

Das Centro Historico hat sich für Besucher fein gemacht, ohne zugleich den Alltag mit aus den Schachbrettstraßen zu kehren. Möge es so bleiben.



Pilar Aschenbach

 

Reiseinformationen

Quito Tourism:www.quito.com.ec
Ecuador:http://ecuador.travel 
Flug: zum Beispiel mit KLM via Amsterdam (www.klm.com)
Quito-Programme: zum Beispiel über Latina Real Tours Ecuador (www.latinarealtours.com). Die Agentur gehört zu einem Verbund von Incoming-Agenturen in Lateinamerika, die sich den gleichen Qualitätsstandards verpflichtet sehen. Das Netzwerk wurde 2005 auf Anregung des Freiburger Veranstalters Aventoura gegründet und reicht von Ecuador und Kuba über Peru und Bolivien bis Argentinien und Chile. Kontakt: Telefon 07 61 / 2 11 69 90 und E-Mail lrt(at)aventoura.de.