Chile

Nordchile: Im Hochland der Aymara-Indianer

Der Vulkan Parinacota spiegelt sich im See Chungara im Lauca-Nationalpark.

Der Vulkan Parinacota spiegelt sich im See Chungara im Lauca-Nationalpark.

Eine Stiftung erweckt Dörfer zu neuem Leben

Die restaurierte Dorfkirche aus Lehm in Belen

Die restaurierte Dorfkirche aus Lehm in Belen. Fotos: og

Lamas grasen friedlich, Alpacas huschen über die Straße. Die Vicunas hingegen, kleinere Vertreter dieser Kameltiere, halten lieber Abstand von dem Bus, der sich mit dröhnendem Motor von der Küste bei Arica bis in den Lauca-Nationalpark auf über 4.000 Meter quält. Im See von Chungara, einem der höchstgelegenen der Welt, spiegelt sich der ebenmäßige Kegel des 6.348 Meter hohen Vulkans Parinacota, das Wahrzeichen der Region im Nordosten Chiles.

Von einer grünen Pflanzenkruste namens Yareta überzogene Steine wirken wie aus dem Weltall abgeworfen. Im Lauca-Nationalpark steht eine einzigartige Flora und Fauna unter Schutz, darunter der seltene Bergpuma. Die Menschen der Region dagegen hat man lange Zeit vernachlässigt: Rund um den Park lebt das Volk der Aymara.

Jahrzehntelang war es Politik, die Ureinwohner zum Arbeiten an die Küste zu locken. Im Hochland entstanden indessen Geisterdörfer und die Kirchen aus der spanischen Kolonialzeit verfielen. Diesen Trend umzukehren, hat sich die „Fundacion Altiplano“ vorgenommen. Die Stiftung investiert seit rund 15 Jahren in den Aufbau einer „Route der Missionen“.

Sie restauriert historische Kirchen und unterstützt Aymara, die in die Berge zurückkehren wollen, beim Aufbau von Pensionen und Restaurants. „Ohne Tourismus werden die Dörfer sterben“, sagt Christian Heinsen, der deutschstämmige Chef der Stiftung. Er träumt davon, die Region so berühmt – und wohlhabend – zu machen wie das peruanische Cuzco.

Im Dorf Belen, dem Hauptort der Route der Missionen, trägt die Strategie schon Früchte: Die alte Lehmkirche von 1793 ist saniert, das einstige Pfarrhaus wurde in eine Unterkunft verwandelt. „Der Geschmack von Belen“ heißt ein kleines Restaurant, das sich eine Aymara-Familie mit Förderung der Stiftung aufgebaut hat.

Dennoch ist es schwer, die Ureinwohner von dem Konzept zu überzeugen – sie sind misstrauisch gegenüber Initiativen von Weißen. Früher wurden sie abfällig als „Lamas“ beschimpft. „Die Diskriminierung hat heute nachgelassen“, sagt Estela Gonzales, eine Reiseführerin, die mit einem Ayamara verheiratet ist.

Das Misstrauen der Indigenas zeigte sich auch im idyllischen Dörfchen Socoroma, als die Altiplano-Stiftung die historische Kirche aus dem 16. Jahrhundert restaurieren wollte – originalgetreu mit Lehm und Stroh. Die Aymara wollten den Bau lieber abreißen und aus Beton neu errichten. Auch um zu zeigen, wie modern sie denken. Erst nach langer Diskussion setzte sich die Stiftung durch.

Die Sanierung wurde mit einem Ausbildungsprogramm verknüpft, da die Baumeister der Aymara ihre jahrhundertealten Techniken verlernt hatten. Während die Männer die Kirche mit Adobe-Lehm restaurierten, erneuerten die Frauen die historischen Fresken. So förderte die Fundacion indirekt auch das Selbstbewusstsein der Hochlandbe‧wohner. „Früher wollten die Ureinwohner keine ‚Indigenas‘ sein“, sagt Gonzales, „heute sind sie stolz darauf.“

Weitere Informationen zur Route der Missionen auf Deutsch findet man unter www.rutadelasmisiones.cl.
Oliver Gerhard
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