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Travel Charme: „Über konkreten Exit-Plan sprechen“

Das Travel Charme Kurzhaus Binz hat schon häufig den TUI-Holly gewonnen

Das Travel Charme Kurzhaus Binz hat schon häufig den TUI-Holly gewonnen. Fotos: Travel Charme Hotels & Resorts; Florian Peljak/Travel Charme Hotels & Resorts

Travel-Charme-Geschäftsführer Daniel Eickworth

Travel-Charme-Geschäftsführer Daniel Eickworth

Mit dem Kurhaus Binz auf Rügen hat Travel Charme Hotels & Resorts ein bekanntes Zugpferd im Angebot, das TUI schon mehrmals mit dem Holly als bestes Haus aus dem gesamten Portfolio ausgezeichnet hat. Darüber hinaus gehören zur Hotelkette vier weitere Häuser an der Ostseeküste, je eines im Harz und in Bayern sowie drei in Österreich. touristik aktuell sprach mit Geschäftsführer Daniel Eickworth über die derzeitige Situation.

Herr Eickworth, wo erreiche ich Sie?
Heute bin ich Büro, das bin ich ein- bis zweimal pro Woche. Sonst arbeite ich im Homeoffice. Das funktioniert schon, aber ich habe zwei Kinder, die sich freuen, wenn der Papa zu Hause ist...

Und wo sind Ihre Mitarbeiter?
Die meisten Kollegen sind in Kurzarbeit. Rund 90 Prozent der Mitarbeiter haben 100 Prozent Kurzarbeit. Einige Kollegen am Front Office und in den Bereichen Wartung und Haustechnik arbeiten für die Instandhaltung der Häuser. Im Strandhotel Bansin erneuern wir die Fassade und können dazu nun ein Gerüst aufstellen, ohne dass sich Gäste gestört fühlen.

Welche Unterstützung erhalten Sie von der Regierung?
Kann man von Unterstützung reden? Wenn die Regierung von einem Rettungsschirm spricht, dann befinden wir uns mit einem Gleitschirm im kontrollierten Absturz. Weder wir noch die Branche können sich auf den Schirm verlassen, da die Fördermittel im Verhältnis zu den laufenden Kosten doch sehr gering sind. Natürlich nutzen wir Stundungsmöglichkeiten und KfW-Kredite. Aber uns schenkt niemand etwas. Wir müssen alles zurückzahlen und das wird für einige Hoteliers bei den geringen Margen sehr, sehr eng werden. Wir haben mir der Hirmer Gruppe im Hintergrund glücklicherweise solvente Gesellschafter und können liquiditätstechnisch noch eine Weile weiterleben.

Haben Sie Verständnis für die Entscheidung der Regierung, dass Hotels und Restaurants weiterhin geschlossen bleiben müssen?
Wir hatten zu Beginn Verständnis für die Maßnahmen, denn wir sehen die Kapazitäten des Gesundheitssystems. Die Gesundheit geht ohne Frage vor. Aber mittlerweile ist die Schließung für den Gast und uns inhaltlich nicht mehr nachvollziehbar. Wir haben das Gefühl, dass nach den Infektionsfällen von Ischgl eine ganze Branche unter Generalverdacht steht. Die Regierung sollte der Hotellerie zutrauen, restriktive Vorgaben und Regeln gewissenhaft umzusetzen. Die Hoteliers sind dazu in der Lage. Bei Travel Charme haben wir seit Jahren Hygienespender an den besonders relevanten Stellen in den Häusern stehen. Bisher wurden wir dafür belächelt. Die Politik sollte die Verantwortung und den Mut haben, mit uns gemeinsam Vorgaben zu machen, damit wir unser Geschäftsmodell zum Laufen bringen können. Man darf nicht vergessen, die Menschen wollen raus. Sie haben in den vergangenen Wochen gelernt, mit Hygienethemen und Abstandsregeln besser umzugehen und diese zu verinnerlichen.

Hat man Ihnen schon Signale gegeben, wann es wieder losgeht?
Nein, wir haben hierzu keine Information. Wir kennen den Fünf-Stufen-Plan der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern. Die erste Stufe besagt, dass ab 1. Mai wieder Zweitwohnungsbesitzer und Dauercamper einreisen können. Aber man hat sich bedeckt gehalten, wann die weiteren Stufen starten können. Das ist ein bescheidenes Ergebnis für einen Tourismusgipfel. Wir müssen über einen konkreten Exit-Plan sprechen. Die Entwicklung der Infizierten-Zahlen in Mecklenburg-Vorpommern lässt dies zu. Der wirtschaftliche Schaden ist schon jetzt riesig. Allein wir haben 500 Angestellte. Den MV-Werften mit rund 3.000 Mitarbeitern und deren Lieferanten wurden  650 Millionen Euro Staatshilfe in Aussicht gestellt. Die IG Metall begründete dies damit, dass der Schiffbau der industrielle Kern des Landes sei und gesichert werden müsse. Das ist für unsere ganze Branche im Tourismusland Nummer eins wie ein Schlag ins Gesicht und zugegeben auch entmutigend. Wir fühlen uns von der Regierung nicht ernst genommen und das, obwohl wir sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Bayern eine starke Wirtschaftskraft sind.

Was fordern Sie von der Regierung?
Man muss die Arbeit der Dehoga anerkennen, die erreicht hat, dass die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent gekürzt wird. Aber das gilt nur auf Speisen, nicht auf Getränke und ist ab 1. Juli 2020 nur für ein Jahr gültig. Das ist nur ein kleiner Tropfen auf einen sehr, sehr heißen Stein. Die ganze Branche wird viel mehr benötigen als die bisherigen Regelungen. Wir brauchen Steuererleichterungen, einen Ausgleich der Härten, denn es ist ein erheblicher Schaden entstanden. Eine Aussetzung des Insolvenzrechts heißt nicht, dass niemand insolvent geht. Und es ist niemandem geholfen, wenn einzelne Hotelbetreiber ausfallen. Ich befürchte, es kann im kommenden Jahr bis zu 20 Prozent weniger Hotelkapazitäten geben. Am allerwichtigsten ist aber, einen vernünftigen Fahrplan zur Öffnung zu erhalten. Es ist zwingend nötig, der Branche das notwendige Vertrauen zu geben und ihr zu signalisieren: „Ihr bekommt das hin und könnt es umsetzen“. Wenn man Baumärkte, Autohäuser und Restaurants vergleicht, fällt eines auf: In Restaurants geht es deutlich geordneter zu, denn die Leute sitzen und bewegen sich nicht.

Welche Maßnahmen werden Sie nach derzeitigem Stand neu einführen?
Ich glaube, die Gäste sind mittlerweile sensibilisiert genug, was das Thema Abstand angeht. Wir haben immer schon sehr hohe Hygienestandards in unseren Hotels, das ist für uns keine Neuerung. Erhöht werden die Desinfektionsrhythmen auf den Zimmern. Zusätzlich erhält der Gast auf dem Zimmer ein Hygienekit mit Masken, Einmalhandschuhen und Desinfektionsmittel. Unsere Mitarbeiter bekommen je sechs Mund-Nase-Masken, die wir unter anderem mit Hirmer herstellen und die im Hotel gewaschen werden. Unsere Restaurants sind zum Glück recht großflächig, sodass wir Tische mit 1,5 Metern Abstand stellen können. Es wird zunächst keine Büffets mehr geben. Frühstück und Abendessen werden à-la-carte serviert.

Was ändert sich noch?
Wir werden die Begrüßungszeremonie bei Ankunft des Gastes verändern. An der Rezeption wird es Plexiglas zwischen den Mitarbeitern geben, die mit Abstand zueinander arbeiten. Wenn wir es müssen, können wir Plexiglas auch zum Gast errichten. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir trotz Berücksichtigung aller Hygienevorschriften keine Krankenhausatmosphäre erschaffen sollten. Wir verkaufen Urlaub, das Gefühl von Entspannung und Freiheit. Darüber hinaus haben wir in allen Hotels einen Sicherheitsbeauftragten, der die Gäste über die notwendigen Hygienemaßnahmen und -vorschriften informiert und diese auch nachhalten wird.

Höhere Kosten für Reinigung und Service, fehlende Monate  wie ändern sich die Preise?
Natürlich ändert sich die Kalkulation und wir müssten eigentlich die Preise erhöhen. Aber: Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und wollen den Betrieb voranbringen. Wichtiger ist uns, dem Gast Flexibilität zu gewähren. Er kann bei uns vor Anreise kostenfrei umbuchen und das auch mehrmals. Die Stornofristen haben wir ebenfalls deutlich gastfreundlicher gestaltet.

Wie ist die derzeitige Auslastung der Ostsee-Hotels im Juli?
Die Auslastung liegt bei 60 bis 68 Prozent. Die Nachfrage ist viel höher, aber wir wollen keine weiteren Kontingente freigeben. Wir müssen abwarten, welche Vorgabe uns die Politik gibt. Vielleicht dürfen wir nur 50 Prozent unserer Zimmer verkaufen. Dann müssen wir überzähligen Gästen absagen und sind ihnen gegenüber gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Schlimmstenfalls hängt hier das nächste Damoklesschwert über uns.

Und in der Nebensaison?
Wir merken schon, dass die Nebensaison derzeit stärker gebucht wird als im vergangenen Jahr. Die Gäste haben Nachholbedarf und wollen in den Urlaub fahren. Deshalb öffnen wir unser Fürstenhaus am Achensee in Tirol nun das ganze Jahr. Unsere weiteren Hotels sind bereits Ganzjahresbetriebe. Wir tragen eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und dementsprechend wichtig ist es uns, keinen in eine befristete Arbeitslosigkeit schicken zu müssen.  

Das Gespräch führte Sylvia Raschke