Veranstalter

TUI: Marktführer verliert Marktanteile

Wohin führt die Strategie von TUI? „In die Sackgasse“ meinen nicht wenige Touristiker. Foto: TUI

Wohin führt die Strategie von TUI? „In die Sackgasse“ meinen nicht wenige Touristiker. Foto: TUI

Die Ankündigung von TUI, ab 22. Juni einen telefonischen Rückrufservice für Reisebüros einzurichten, ist im Vertrieb mit großer Skepsis aufgenommen worden. „Schön wäre es. Aber wenn Anrufe erst Tage nach der Anfrage kommen, kann es TUI auch gleich ganz lassen“, war in vielen Reisebüro-Foren zu lesen.

Zudem ist unklar, was sich zum aktuellen Service ändert. „Den Rückrufservice gibt es schon, aber er klappt nicht, wie er klappen müsste, um die Kunden zu beraten“, kritisiert ein Reisebüro-Inhaber, der eigenen Angaben zufolge TUI „jahrzehntelang gerne verkauft“ hat, im aktuellen Neustart aber „konsequent wegsteuert“. 

Werner Lukaszewicz, Inhaber des Reisebüros Baden-Oos in Baden-Baden, ist da schon einen Schritt weiter: Er hat seine Agentur zum Jahresende gekündigt und fühlt sich nahezu täglich in diesem Entschluss bestätigt.

TUI bucht um – und ist danach nicht erreichbar

Der jüngste Fall: Ein Kunde hatte Mitte Mai eine TUI-Reise für Juli gebucht. Mitte Juni wurde der Flug von Baden-Baden nach Stuttgart umgebucht. Da der Kunde das nicht wollte, suchte das Reisebüro nach einer Alternative ab Baden-Baden – und fand sie auch.

Das Problem: TUI ist für diesen Umbuchungswunsch nicht erreichbar. „Notiz, Chat, Kunden-Hotline – alles ohne Erfolg“, berichtet Lukaszewicz. Über die Chat-Mitteilung, den nächsten freien Rückruftermin gebe es am 30. Juni – also rund zwei Wochen nach der Anfrage –, kann der Reisebüro-Inhaber nur noch lachen.

Auf die Anfrage von touristik aktuell, mit welchen Antwortzeiten TUI kalkuliert, weicht das Unternehmen aus. Die Antwort lässt nichts Gutes erahnen: „Wir sehen, dass im Moment das Gesamtvolumen aufgrund des höheren Beratungsaufwands von drei Fragen pro Buchung auf acht bis zehn angewachsen ist“, heißt es aus Hannover.

Chatbot hat für TUI weiter Priorität

Vertriebschef Hubert Kluske jedenfalls ist nach wie vor davon überzeugt, dass der Chatbot sowohl den Reisebüros als auch TUI „sehr viel Arbeit abnehmen“ könne. Wenn Chatbot und Rückruf-Funktion „gut als ein System benutzt werden, können wir auch die Wartezeiten nochmal reduzieren“.

Darauf wollen viele Reisebüros nicht mehr warten: „Lieber Herr Kluske, wenn TUI es nicht schnell schafft, einen Second Level Support hinzubekommen, sehe ich für den Vertrieb schwarz. Meine Vermutung ist aber eine andere: Sie möchten gar nicht den stationären Vertrieb unterstützen, sondern hoffen, dass die Kunden lieber direkt online buchen“, zeigt sich Marcus Dickmann, Geschäftsführer des First Reisebüros E+N Reisen in Mönchengladbach, enttäuscht von Hannover. .  

SLR und Alltours nehmen TUI Marktanteile weg

Die Wut im Vertrieb scheint eine erste Wirkung zu haben: So ist an den jüngste Zahlen von Travel Data (TDA) deutlich zu sehen, dass die Ankündigung vieler Reisebüros, TUI nicht mehr bevorzugt zu verkaufen, tatsächlich auch umgesetzt werden.

Zwar ist es nicht falsch, dass TUI zurzeit bei den Buchungen gut liegt. „Aber andere liegen deutlich besser“, berichten Vertriebs-Manager von konkurrierenden Veranstaltern sowie Reisebüro-Kooperationen und -Ketten. Vor allem Schauinsland (SLR) und Alltours würden TUI zurzeit massiv Marktanteile abnehmen.

So lagen die Buchungseingänge bei Schauinsland dem Vernehmen nach in der ersten Juni-Woche im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 um rund 100 Prozent im Plus. Bei Alltours betrug der Zuwachs 60 Prozent, bei DER Touristik 36 Prozent und bei FTI 33 Prozent.

TUI kam Insidern zufolge dagegen nur auf einen Zuwachs von 15 Prozent. Und der stammt – so die übereinstimmenden Aussagen auch von früheren TUI-Managern, mit denen touristik aktuell in Kontakt steht – vor allem aus dem Online-Vertrieb. Vor allem über Holidaycheck kommt demnach ein großer Anteil der aktuellen Buchungen.

Der Haken für TUI: Das Portal kassiert mehr Provision als die meisten Reisebüros. Und damit wird die Strategie von Vorstandschef Fritz Joussen ad absurdum geführt, mit dem Erstarken des Online-Vertriebs Kosten einzusparen.

Fazit eines früheren Top-Managers bei Deutschlands größtem Veranstalter: „TUI schneidet sich mit seiner Vertriebsstrategie gerade ins eigene Fleisch. Aber offenbar ist man in Hannover unbeirrbar und unbelehrbar.“