Reisevertrieb

Reisebüros: Das Minus hat auch gute Seiten

Die Zahl der Airport-Reisebüros ging in den vergangenen zwölf Jahren um fast die Hälfte zurück.

Die Zahl der Airport-Reisebüros ging in den vergangenen zwölf Jahren um fast die Hälfte zurück. Foto: pra

Die Zahl der Agenturen sinkt – und die Überlebenden profitieren davon

Der Reisebüro-Markt hat sich in den vergangenen fünf Jahren so schnell und so stark verändert wie niemals zuvor. Allein im Jahr 2008 gaben über 800 Agenturen ihre Geschäfte auf, während rund 300 neue Reisebüros hinzukamen, wie eine gemeinsame Analyse von DRV und Deutschem Reisebüro (DER) zeigt. Demnach haben seit 2003 ein Drittel aller Agenturen dicht gemacht. Damit sank die Zahl der stationären gewerblichen Reisebüros auf aktuell 10.100 Agenturen.

Weitere Schließungen zu erwarten
Am geringsten war der Rückgang an Reisebüros im Osten Deutschlands. „Das Durchhaltevermögen scheint dort wesentlich stärker zu sein als im Westen“, sagt Werner Sülberg, Marktforscher beim DER. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Viele Inhaber kleiner Büros haben einfach keine andere Alternative, als ihre Agentur mit viel Bereitschaft zur Selbstausbeutung weiterzuführen. Oder sie verfügen noch über andere zumeist branchenfremde Einkunftsquellen.

Das gilt vor allem für die Provinz, wo die Zahl der Reisebüros vergleichsweise stabil blieb. Die größten Rückgänge gab es in Städten wie Dresden, Leipzig, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Wiesbaden, Mainz, Aachen und Mannheim. Eine Entwicklung, die sich nach Einschätzung von Sülberg fortsetzen wird: „Der Bereinigungsprozess im Reisebüro-Markt ist noch lange nicht abgeschlossen“, so der Marktforscher.

Deutlich wird er vor allem beim Blick auf Vertriebsstellen, die nicht zum klassischen stationären Büro in den üblichen Lauflagen der Städte zählen. So sank die Zahl der Reisebüros in Banken zwischen 1996 und 2008 von 242 auf 82 Büros. Die Zahl der Flughafen-Counter an den 16 deutschen Airports ging im gleichen Zeitraum von 616 auf 339 zurück, die Zahl der Reisebüros in Kaufhäusern von 415 auf 280.

Aus Sicht von Sülberg hat die Abwärtsentwicklung für jene Reisebüros, die noch auf dem Markt sind, äußerst positive Aspekte. So stieg die Zahl der potenziellen Kunden seit 2003 von 6.500 auf 8.100 pro Reisebüro, das durchschnittliche Umsatzpotenzial kletterte in der gleichen Zeit auf rund zwei Millionen Euro. Der Haken: Von 8.000 potenziellen Kunden nutzen nur 2.600 ein Reisebüro, um ihren Urlaub zu buchen.

Für Sülberg ist es deshalb wichtig, dass sich die Agenturen noch stärker als bisher auf jene Dinge besinnen, die sie für Kunden so unentbehrlich machen. So gehe aus der Marktforschung hervor, dass Reisebüro-Kunden in vielen Fällen nicht wegen des günstigsten Preises ihren Urlaub im stationären Vertrieb buchen. Wesentlich wichtiger seien für Reisebüro-Kunden eine möglichst objektive Beratung und die Hilfe bei der Angebotsauswahl. Jeder zweite Kunde sucht die Hilfe des Counters, weil er sich dadurch eine Zeit- und Arbeitsersparnis bei der Suche nach dem passenden Urlaub erhofft.

Viel Bewegung bei Kooperationen
Innerhalb der Branche gibt es derzeit ein fröhliches Wechselspiel bei der Wahl der Reisebüro-Organisation. So war in den vergangenen vier Jahren „der halbe Kooperationsmarkt in Bewegung“, hat der DRV ermittelt. Doch nicht nur bei den Kooperationen herrscht hohe Fluktuation: Trotz oftmals heftiger Knebelverträge versuchen immer mehr Franchise-Büros, den straffer werdenden Kettenverträgen zu entkommen. Der Marktanteil der Franchise-Anbieter hat seinen Zenit überschritten. Wohl auch deshalb, weil viele Kooperationen auch ohne hohe Monatsgebühr und strenger Auflagen umfangreiche Service-Leistungen bieten.
Matthias Gürtler
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