Reisevertrieb

Reiseverkäufer – immer noch ein Traumjob?

Sina Thesing ist eine junge Reisebüro-Inhaberin, glaubt an die Zukunft des stationären Vertriebs. Johannes Postler hat die Branche verlassen, arbeitet jetzt für Aldi-Süd

Sina Thesing ist eine junge Reisebüro-Inhaberin, glaubt an die Zukunft des stationären Vertriebs. Johannes Postler hat die Branche verlassen, arbeitet jetzt für Aldi-Süd. Fotos: priva

Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel hält die Touristik unter Druck. Viele Reisebüros suchen seit Monaten gutes Personal. Reisebüro-Ketten und -Kooperationen werden aktiv und versuchen, den Beruf attraktiver zu gestalten. Ein Problem ist auch, dass gute Touristiker die Branche verlassen. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

touristik aktuell hat ehemalige Counter-Experten befragt, warum sie die Branche verlassen haben, und lässt Expedienten zu Wort kommen, die für ihren Beruf brennen. Hier ein Auszug aus dem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe von touristik aktuell erschienen ist und in dem fünf junge Menschen ihre Gründe für oder gegen die Touristik darlegen.
 

Hat die Branche verlassen:
Johannes Postler (28 Jahre), gelernter Reiseverkehrskaufmann, heute bei Aldi-Süd:

„Im vergangenen Jahr merkte ich, wie ich die Lust am Reiseverkauf verloren habe. Herausforderungen wie das neue Reiserecht, die Datenschutzgrundverordnung und die Insolvenzen von Airlines ließen mich zweifeln, ob der Beruf noch der richtige für mich ist. Der Mehraufwand wurde immer größer und die Veranstalter haben es uns Expedienten schwerer gemacht, statt Hand in Hand mit uns zusammenzuarbeiten. Nach meiner Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann habe ich bis vergangenen Dezember im Reisebüro gearbeitet. Im Januar habe ich dann die Branche gewechselt. Vor meiner Reisebüro-Zeit hatte ich bereits eine Ausbildung bei Aldi-Süd zum Einzelhandelskaufmann absolviert. Dort bin ich jetzt wieder beschäftigt. Der Job-Wechsel war absolut richtig. Ich arbeite im Nachwuchsprogramm für stellvertretende Filialleiter. Die Aufstiegsmöglichkeiten sind in einem großen Unternehmen entschieden besser. Der Verdienst spielt natürlich auch eine Rolle. Jeder weiß, dass nur sehr wenige als Reiseverkehrskaufmann 'reich' werden. Natürlich kann man auch die andere Seite sehen. Die Arbeitszeiten sind schlechter und der Stressfaktor ist an den meisten Tagen im Jahr deutlich höher – außer es geht mal wieder eine Airline oder ein Veranstalter pleite.“

 

Sieht im Reisebüro ihre Zukunft:
Sina Thesing (26 Jahre), Tourismuswirtschaftlerin, Reisebüro-Inhaberin, Inhaberin von Dein Urlaubsdesigner:

„Meine Mutter führte 30 Jahre lang ein Reisebüro. Ich bin quasi im Reisebüro aufgewachsen, habe schon als Kind den Geruch von Reisekatalogen geschnuppert. Nachdem ich das duale Studium Tourismuswirtschaft abgeschlossen habe, führe ich nun ein eigenes Reisebüro. Wir sind ein vierköpfiges Team und definieren uns als Premium-Agentur mit einem nachhaltigen Konzept. Wir vereinbaren fast nur Beratungstermine, setzen auf Erlebnisreisen und legen eigene Gruppenreisen auf. 2018 haben wir eine Tour mit G Adventures nach Costa Rica veranstaltet. In diesem Jahr geht es mit Chamäleon nach Namibia. In den kommenden Wochen bekommen wir noch eine Auszubildende und eine duale Tourismuswirtschaftsstudentin. Mit dem Job verbinde ich meine Reise-Leidenschaft – die perfekte Work-Life-Balance. Wir verkaufen ein Stück Glück, jeder Tag ist abwechslungsreich. Nur wenige Dinge stören mich. Ärgerlich ist, dass viele Online-Anbieter mit Angeboten werben, die es in dieser Preisform nicht gibt. Kunden kommen mit unrealistischen Vorstellungen ins Büro. Zudem stört mich die Wahrnehmung mancher Menschen, die sich wundern, dass es Reisebüros noch gibt. Ich kassierte mitleidige Blicke als ich erzählte, dass ich ein Reisebüro führe. Ich glaube fest an die Reisebüro-Zukunft und plane in den nächsten Jahren neben meinem bisherigen Büro weitere Standorte aufzubauen.“

Anzeige