Reisevertrieb

Reisebüros appellieren an Veranstalter

Reisebüros beklagen unter anderem, dass sie die Provisionen für abgesagte Reisen an die Veranstalter zurücküberweisen müssen

Reisebüros beklagen unter anderem, dass sie die Provisionen für abgesagte Reisen an die Veranstalter zurücküberweisen müssen. Foto: Petros Tsonis/iStockphoto

Die aktuelle Stornowelle treibt nicht nur Veranstalter an den Rand des Ruins, sondern auch Reisebüros: Sie nehmen seit Wochen kein Geld mehr ein – jetzt kommen auch noch die Rückzahlungsforderungen der Veranstalter. Von unvergüteter Mehrarbeit redet im Vertrieb schon gar niemand mehr. Denn es geht um die pure Existenz: „Auf uns kommt eine Welle an Rückzahlungen zu. Nicht nur für Stornos, für die es keine Provision gibt“, sagt Claus-D. Binder, Inhaber des Reisebüros Binder in Grafing.

Der Vorstand von Best Reisen, Cornelius Meyer, hatte schon vor zehn Tagen die Veranstalter aufgefordert, die Reisebüros in der aktuellen Storno-Flut „nicht zu bestrafen“. Der stationäre Vertrieb sei einmal mehr „die eigentliche Front“ der Touristik im aktuellen Corona-Drama. Genau dies werde aber „wieder einmal nicht honoriert“, trägt Meyer den Ärger der Reisebüros in die Öffentlichkeit. Er fürchtet, „dass die Reisebüros am Ende wieder die letzten in der Reihe sind, obwohl sie jetzt die eigentliche Front bilden“.

Die folgenden Statements an die Redaktion von touristik aktuell drucken wir im Wortlaut ab:

Thomas Engel, TM-Reisen, Heusweiler
„Es ähnelt der Seifenoper: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ – aktuell stellen sich viele offene Fragen. Die Kommunikation läuft teilweise schleppend und die viele Sprachregelungen fehlen. Die einen stornieren schon vorsorglich bis Ende April, andere wissen noch nicht, ob die Reise auf die Seychellen zum 30. März nicht doch noch durchgeführt werden kann. Aktuell jonglieren wir mit dem Puzzle aus tausenden unterschiedlichen Informationen und hoffen, keinen Fehler zu machen. Wir arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen und hoffen, am Ende des Tages nicht auch noch auf den Kosten sitzenzubleiben, weil wir vielleicht die falsche Aussage getroffen haben. Positiv dennoch, dass die Kollegen im Servicecenter stets super freundlich sind. Heute haben wir sogar einen Anruf unseres Außendienstes von TUI Cruises erhalten, womit ich niemals gerechnet hätte. Ein super freundlicher Anruf und der Dank, dass wir sie unterstützen. Toll. Aus diesem Grund möchte ich einen Appell an alle Veranstalter loswerden: Ich hoffe, alle lernen aktuell mehr denn je, dass es nicht die Influencer sind, die gerade Flagge zeigen. Umso wichtiger, in Zukunft den Vertrieb zu stärken, statt abzubauen. Wir möchten auch nicht nur kurzfristig nach dieser Krise von euch geliebt werden, sondern langfristig auf Augenhöhe mit euch arbeiten. Nur gemeinsam sind wir Touristik!“

Claudia Mades, Design Travel, München
„Liebe Kollegen! Ich finde es wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen und solidarisch mit Leistungsträgern zu sein, sehr sogar. Aber ich kann die Forderungen an die Reisebüros langsam nicht mehr hören. Reisebüros sollen die Kunden weit über ihren eigentlichen Auftrag (die Vermittlung) betreuen (unentgeltlich), sie sollen Krisenmanager sein (unentgeltlich), sie sollen auch „Nicht“-Kunden alle Fragen freundlich beantworten (unentgeltlich). Reisebüros müssen ihre Geschäfte schließen und trotzdem weiter Miete zahlen, sie müssen Homeoffices organisieren und trotzdem weiter Gehälter zahlen. Veranstalter sind nicht erreichbar, wollen aber, dass Reisebüros 24/7 alle Nachrichten umsetzen, umbuchen, dem Kunden Gutscheine aufdrängen. Reisebüros müssen aktuell sehr stark darauf achten, die Kundenbeziehung nicht zu schädigen. Die Kunden merken, wer in der Krise ihre Interessen vertritt. Je länger die Krise dauert, umso grösser wird das Mißtrauen. Auch die Kunden haben finanzielle Einbußen, oft können sie sich den ursprünglich geplanten Urlaub schlicht nicht mehr leisten und brauchen die Erstattung der geleisteten Zahlung (siehe BGB §651 ff.) für ihren Lebensunterhalt. Die Veranstalter fordern Solidarität, buchen aber im gleichen Atemzug Provisionen zurück und nehmen kleinen Unternehmen die Liquidität. Für die Rettung der Unternehmen in dieser Krise gibt es finanzielle Hilfen, besonders für die großen Unternehmen, Mittelständler sind noch weitestgehend ohne Förderungen durch die Regierung, auch wenn es anders kommuniziert wird. Reisebüros werden die Veranstalter finanziell nicht retten können. Sie müssen eher von den Veranstaltern gerettet werden. Denn Reisebüros sind DAS Vertriebsnetz in Deutschland. Hört auf, von den Reisebüros andauernd zu fordern. Helft ihnen! Solidarität ist keine Einbahnstraße. Respektvoller Umgang funktioniert nur, wenn er von allen Verhandlungspartnern gelebt wird.“

Verein Dresdner Reisebüros
Auch der Verein Dresdner Reisebüros hat sich schriftlich zu Wort gemeldet und verweist in seinem offenen Brief an die Sächsische Landesregierung auf den Provisionsausfall und die hohen Rückzahlungen der Reisebüros an die Veranstalter. Zur Meldung geht es hier.

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