Reisevertrieb

Gutschein-Lösung: Pro und Contra

Auch nach der Regierungsentscheidung heftig umstritten: Reisegutscheine. Foto: coramueller/iStockphoto

Auch nach der Regierungsentscheidung heftig umstritten: Reisegutscheine. Foto: coramueller/iStockphoto

Die Entscheidung der Bundesregierung, bei Reiseabsagen durch die Corona-Krise die Rückzahlung von Kundengeldern vorübergehend auszusetzen und durch Gutscheine zu ersetzen, ist auf viel Lob, aber auch auf scharfe Kritik gestoßen. Allein auf der Facebook-Seite von touristik aktuell sorgte die Meldung für mehr als 120 – zum Teil heftige – Kommentare. 

Zufrieden zeigten sich unter anderem der DRV und der VIR, die Bundestagsfraktion der FDP sowie TUI. Kritik kam von Verbänden wie dem VUSR, aus der Busbranche, von Verbraucherschützern sowie von einigen Reisebüros.

Aus Sicht von DRV-Präsident Norbert Fiebig kommt die Entscheidung „gerade noch rechtzeitig für die vielen kleinen und mittelständischen Reisebüros und Reiseveranstalter“. Ein Fortführen der gesetzlich vorgeschriebenen Rückzahlungspflicht an die Kunden hätte sehr viele Unternehmen in die Insolvenz getrieben.

Auch von VIR-Vorstand Michael Buller kommt Lob: „Dies entlastet einige Player massiv und sichert deren Liquidität“. Gleichzeitig ist ihm jedoch bewusst, „dass die Regelung weite Teile der Branche in ihrer momentanen Form von der Lösung aussperrt“. Bullers Fazit: „Richtiger Schritt mit Ausbau-Potenzial.“

DRV und FDP: „Lösung schnell umsetzen!“
Für den DRV geht es jetzt darum, dass die Bundesregierung möglichst schnell in Brüssel durchsetzt, dass der entsprechende Passus der Pauschalreise-Richtlinie ausgesetzt wird. Auch Marcel Klinge, Tourismusexperte der FDP, mahnt zur Eile. Zur Not müsse die Bundesregierung „den Mut haben“, den Beschluss auch vor Zustimmung der EU-Kommission „auf den Weg zu bringen“.

Laut Plan der Bundesregierung sollen die Gutscheine bis Ende 2021 gültig sein und bei Pauschalreisen durch eine Insolvenzabsicherung oder „gegebenenfalls eine Rückversicherung“ geschützt sein. Wie dies genau umgesetzt werden soll, ist aktuell nicht bekannt.

Vor- und Nachteile für Reisebüros
Für Reisebüros könnte – trotz der Skepsis vieler Agenturen – die Entscheidung der Bundesregierung positive Folgen haben. Zwar müssen sie den Kunden künftig erklären, warum sie ihr Geld nur in so genannten Härtefällen zurückerhalten – ansonsten aber nur einen Voucher erhalten. Bereits gezahlte Provisionen sind ihnen vorerst sicher.

Mehr noch: Je nach Ausgestaltung der Gutschein-Lösung könnten Veranstalter, die gewöhnlich erst bei Reisebeginn die Provision überweisen, zur sofortigen Zahlung verpflichtet werden. Einige Reisebüro-Ketten und Kooperationen haben das Thema bereits auf dem Schirm und wollen versuchen, sich entsprechend für den Vertrieb einzusetzen.

Reiseverkäufer wie Susanne Sabielny vom Reisebüro Lohmann in Verl kann dies allerdings vorerst kaum besänftigen. „Wir sind fassungslos. Und unsere Kunden auch“, schreibt Sabielny in einer Mail an touristik aktuell. Für die Veranstalter sei die Lösung „sicherlich prima“. Aber es könne „doch nicht angehen, dass Kunden, bei denen womöglich beide Partner auf unbestimmte Zeit Kurzarbeit machen, jetzt den Veranstaltern bis Ende 2021 ihr Geld zinsfrei zur Verfügung stellen“, kritisiert Sabielny. Zumal niemand wissen könne, ob das Geld überhaupt zurückgezahlt werden könne oder bei einer Insolvenz flöten gehe.

Aus ihrer Sicht sollten die Veranstalter besser die Rettungsmöglichkeiten der Regierung nutzen und ihre Finanzprobleme „nicht auf den Rücken der Kunden austragen“.

Notfallfonds als bessere Alternative
Damit spricht die Reiseverkäuferin Ideen wie einen Notfallfonds für die Touristik an, den unter anderem VIR-Vorstand Michael Buller ins Spiel gebracht hatte. Er wird auch von vielen anderen Branchenvertretern für die bessere Lösung gehalten, etwa vom Deutschen Ferienhausverband: „Wir brauchen schnelle Liquiditätshilfen, und zwar sofort. Ansonsten werden viele mittelständische Unternehmen die kommenden Wochen nicht überstehen“. Nur über einen solchen Fonds sei es auch Ferienhausanbietern möglich, Stornorückzahlungen vorzunehmen, „ohne selbst zahlungsunfähig zu werden“, so der Verband.

Selbst der DRV fände einen Notfallfonds sinnvoll. Dennoch unterstützte der Verband die Gutschein-Lösung. Der Grund: Es gibt ein großes Fragezeichen, ob und wann der gewünschte Fonds für die Reisebranche zustande kommt. „Und die Zeit drängt“, ist sich auch DRV-Präsident Norbert Fiebig bewusst.

Scharfe Kritik der Busbranche
Ein klares Nein zur Entscheidung des Corona-Kabinetts kommt aus der Busbranche. Die Gutschein-Lösung helfe hauptsächlich großen Konzernen und gehe an der Realität mittelständischer Busunternehmen und Reiseveranstalter vorbei, kritisiert der Verband BDO. Die nun gesetzlich legitimierte Unterbindung des Zahlungsflusses bedeute, „dass kleine Busunternehmen keine Mittel zurückerhalten, obwohl sie selbst diese schon an Kunden weitergegeben haben“.

Aus Sicht des BDO sind die aktuell bestehenden Rettungsschirme und Kredite „mittelstandsfeindlich ausgestaltet und daher leider nicht hilfreich“. Die Bundesregierung müsse „nun endlich auch etwas für die kleinen Unternehmen in der Touristik tun“.

Dem kann sich VIR-Vorstand Buller nur anschließen: „Ein erheblicher Teil der Wertschöpfungskette innerhalb der Touristik fällt nach derzeitigem Stand durch das Raster“, bringt er die Kritik auf den Punkt und verweist unter anderem auf reine Hotelleistungen und Zusatzprodukte wie Mietwagen und Flughafenparkplätze. Für diese Produkte fehle „eine adäquate Lösung bisher komplett und benachteiligt insbesondere den touristischen Mittelstand“.

Verbraucherschützer sagen „Nein!“
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen lehnt die Gutschein-Lösung rigoros ab. Die Kunden hätten ihren Urlaub in dem Vertrauen angezahlt, das Geld bei Absagen zurückzuerhalten, erklärte Vorstand Klaus Müller. In der aktuellen Situation seien viele Menschen genauso dringend auf liquide Mittel angewiesen wie die Unternehmen. Müllers Ansage: „Die Verbraucherschützer setzen sich ebenfalls für einen Fonds ein, der die Liquidität der Reisebranche sichern soll.“

Zum Bericht über den Notfallfonds-Vorschlag von VIR-Vorstand Michael Buller geht es hier. Unsere gestrige Meldung über die Gutschein-Lösung lesen Sie hier.

Matthias Gürtler
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