Reisevertrieb

Mega-Demo-Tag: Das berichten die Teilnehmer

In Frankfurt wurde auf der zentralen Hauptwache demonstriert

In Frankfurt wurde auf der zentralen Hauptwache demonstriert. Foto: Jens Braune del Angel

An mehr als 40 Orten in Deutschland machten heute Reiseverkäufer, kleine Veranstalter und Busunternehmer ihrem Unmut Luft. Der Ärger richtet sich vornehmlich an die Politik, die nach Ansicht der Touristiker nicht ausreichend Unterstützung biete.

Die größte Demonstration fand in Hannover statt. Dort waren viel mehr Teilnehmer als in anderen Städten zugelassen worden. In der niedersächsischen Landeshauptstadt versammelten sich mehr als 200 Reiseverkäufer, die vor dem Landtag demonstrierten. Dazu zählte auch der Reisebüro-Inhaber Ralf Gunnar Ludwig vom Reisebüro Astro Travel in Hannover. „Von den Politikern hat sich kaum jemand blicken lassen“, sagt er im Gespräch mit touristik aktuell.

Das große Thema war laut Ludwig wie an den anderen Veranstaltungsorten die zurückgebuchten Provisionen, die nicht vergütete Mehrarbeit und die Forderung nach einem Schutzschirm für die Reisebüros. Der Reisebüro-Inhaber hofft, dass durch die landesweiten Demonstrationen bei der Bevölkerung ein neues Bewusstsein für die aktuelle Situation der Reisebüros entstanden ist. „Denn Tourismus ist mehr als nur TUI, Lufthansa und Dehoga“, ärgert er sich. „Bei der finanziellen Unterstützung fallen wir Reisebüros als Einzelkämpfer immer wieder durch das Raster.“

Folgen weitere Demonstrationen im Mai?
In Hannover wurde unter den Protestlern angeregt, im Mai eine weitere Demonstration durchzuführen. Deshalb wurde bereits vereinbart, Banner und Protestplakate aufzubewahren. Wird das Versammlungsverbot weiter gelockert, könnten bei der nächsten Demonstration viel mehr Reiseverkäufer teilnehmen.

touristik aktuell war am heutigen Großdemotag auch mit einigen Redakteuren bei Demonstrationen live vor Ort. In Mainz sprachen wir unter anderem mit Madiha Baffoun-Rejeb vom Reisebüro Lohmann in Mainz. Baffoun-Rejeb nahm teil, weil ihr Reisebüro die Provisionen für geleistete Arbeit behalten möchte. „Bisher bekommen wir keine Hilfe, von keiner Stelle. Wir stehen vor dem Ruin“, so Baffoun-Rejeb, die sich darüber aufregte, dass „wieder einmal die Großen der Touristik gerettet und die Kleinen vergessen werden.“

Auch Simone Klein, seit 25 Jahren Inhaberin von Die Reiseinsel aus Neustadt an der Weinstraße, demonstrierte in Mainz: „Ich habe die Hoffnung, dass wir unsere Provisionen behalten dürfen – und dass der Betrieb irgendwann wieder weitergeht. Und zwar mit uns Reisebüros.“

Klein ärgert sich: „Die Kunden haben häufig Verständnis, häufig aber auch nicht. Zum Beispiel, wenn wir von Singapore Airlines die Rückmeldung bekommen, dass die Bearbeitung der Ticket-Rückzahlung 330 Tage oder gegebenenfalls auch länger dauern kann.“ Super laufe es hingegen bei Dertour und bei Schauinsland-Reisen. Dort bekomme man innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung. „Bei anderen Veranstaltern ist man chancenlos, wenn man etwas wissen möchte“, so die Reiseexpertin.

Emotionale Reiseverkäufer auf den Demos
Reisebüro-Inhaberin Ursula Blesius vom Reisebüro Blesius in Bad Kreuznach war ebenfalls in Mainz: „Wir Touristiker waren die ersten, die die Krise getroffen hat und wir werden die letzten sein, wenn es wieder anläuft.“ Sie ist von der Pandemie und den Folgen emotional mitgenommen. „Als ich nach Mainz reingefahren bin, war direkt vor mir einer der Busse mit den Traueranzeigen. Da musste ich sofort anfangen zu weinen.“ Kollegin Kerstin Veser vom Reisebüro Clever Reisen in Dexheim sagte gegenüber touristik aktuell: „Ich schätze, dass der Deutschland-Tourismus komplett an uns vorübergehen wird, die Momentaufnahme ist schon sehr bitter.“

Robert Liersch vom Reisebüro M'Ocean in Dolgesheim erklärte seine Teilnahme an der Demonstration folgendermaßen: „Wir machen diese Aktion, um in den Medien präsent zu sein und so hoffentlich die Politik endlich aufzurütteln.“ Er stehe lieber hier auf der Demo, als im Reisebüro zu sitzen und nichts zu tun zu haben.

Auch im benachbarten Wiesbaden wurde demonstriert. Zu den Teilnehmern zählte auch Christopher Schanz-Surié von Reisebüro Die Reiseboutique in Mörfelden-Walldorf. Die rund 30 Demonstranten haben vor der Staatskanzlei Stellung bezogen, Koffer und Liegestühle aufgebaut, Transparente ausgerollt. Es sei keine Frage gewesen, dass er bei dieser Demo dabei sein wollte, sagt Schanz-Surié. „Ich bin heute hier, unabhängig davon, was daraus wird. Ich will morgen nicht in den Spiegel schauen und sagen, ich war nicht dabei und hab nichts gemacht", sagt er. „Ich hoffe, dass unser Protest etwas bringt.“

Nadine Färber von Reiseland Färber ist extra aus Reichelsheim im Odenwald nach Wiesbaden gekommen. Anderthalb Stunden Fahrt hat sie in Kauf genommen. „Ganz ehrlich? Ich wäre auch nach Dresden gefahren. Als wir davon hörten, dass es eine Demo gibt, stand für uns sofort fest, dass wir dabei sind.“ Es sei wichtig, in dieser Krise zusammenzustehen und Flagge zu zeigen.

Wie die Demonstrationen in Frankfurt oder in Koblenz verlaufen sind, können Sie hier und hier in zwei Videos sehen.

Eine Bildergalerie mit vielen Impressionen aus ganz Deutschland finden Sie hier und hier auf Facebook.

Arne Hübner, Susanne Layh, Ute Fiedler
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