Reisevertrieb

Konjunkturpaket: Lob und Kritik aus der Branche

Update: 16.17 Uhr
VUSR-Chefin Marija Linnhoff ist hinsichtlich des Konjunkturpakets zuversichtlich. Foto: VUSR

VUSR-Chefin Marija Linnhoff ist hinsichtlich des Konjunkturpakets zuversichtlich. Foto: VUSR

Die angekündigten Hilfen für Reisebüros im Rahmen des neuen Konjunkturprogramms treffen in der Touristikbranche auf ein geteiltes Echo. Während der Reisebüro-Verband VUSR die Maßnahmen grundsätzlich positiv bewertet, kommt vom DRV scharfe Kritik.

Als „unglaubliches Paket mit viel Spielraum“ beurteilt VUSR-Chefin Marija Linnhoff das von der Koalition beschlossene Konjunkturprogramm. Diesem zufolge sollen unter anderem Reisebüros Betriebskosten-Erstattungen von bis zu 80 Prozent erhalten (siehe hier). Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten soll der Erstattungsbetrag 9.000 Euro, bei Unternehmen bis zehn Beschäftigten 15.000 Euro betragen. Der Betrag könne nur „in begründeten Ausnahmefällen" höher ausfallen, heißt es in dem Papier. 

Gerade diesen Zusatz wertet Linnhoff positiv. „Denn ja, wir sind ein begründeter Ausnahmefall“, sagt sie. Und was unter „Betriebskosten“ zu werten sei, müsse noch geklärt werden. „Es ist Definitionssache, ob nicht auch Gehälter darunter fallen.“

Linnhoff: „Weiter kämpfen und verhandeln“

In den sozialen Netzwerken haben sich bereits zahlreiche Agentur-Inhaber und -Mitarbeiter zu Wort gemeldet und ihre Ängste geäußert. Die Hilfe reiche vorne bis hinten nicht, so der Tenor. Bei vielen ist Panik spürbar, was Linnhoff verstehen kann. „Dennoch gilt es jetzt, einen kühlen Kopf zu behalten.“

Viele Details sind noch unklar, denn die Überbrückungshilfe gilt branchenübergreifend und geht laut Linnhoff daher nicht auf die Spezifika einzelner Branchen ein. Doch soll, so heißt es in dem Eckpunktepapier der Koalition, den Besonderheiten der besonders betroffenen Branchen wie Reisebüros „angemessen Rechnung“ getragen werden. „Jetzt gilt es, weiter zu kämpfen, zu sprechen und verhandeln und die Überbrückungshilfen auf Reisebüros herunter zu brechen. Da sind wir gerade dabei“, so Linnhoff.

Das Konjunkturprogramm zeigt nach Ansicht der VUSR-Vertreterin, „dass die Politik helfen will und begriffen hat“. Die Politiker seien bereit zu reden und zu verhandeln. Linnhoff ist überzeugt, dass es zudem eine Lösung für das Provisionsproblem geben wird. „Und auch der Rettungsfonds ist noch nicht vom Tisch.“ 

DRV: Überbrückungshilfen sind unzureichend

So positiv wie Marija Linnhoff bewertet der DRV das Konjunkturprogramm nicht. „Das jetzt verabschiedete branchenübergreifende Programm gilt zwar auch für Reisebüros, Reiseveranstalter und alle die anderen Unternehmen, die in der touristischen Wertschöpfungskette tätig sind, reicht aber bei weitem nicht aus, um das Überleben vieler Unternehmen der Reisewirtschaft zu sichern“, kritisiert DRV-Präsident Norbert Fiebig.

Er begründet seine Kritik unter anderem damit, dass drei Monate Laufzeit zu kurz seien: Im August sei die Krise noch nicht bewältigt. Maximal 9.000 Euro für kleinere Unternehmen seien zudem ein Tropfen auf den heißen Stein, maximal 50.000 Euro pro Monat für einen größeren Mittelständler nicht ausreichend. Darüber hinaus wird die Deckelung der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel dazu führen, dass nur ein Teil der Anträge bedient werden kann“, meint Fiebig.

Besonders enttäuschend aus seiner Sicht: Das durch die notwendigen Stornierungen unverschuldet hervorgerufene Liquiditätsproblem werde nicht einmal adressiert. Es hilft nicht, dem Ertrinkenden ein Glas Wasser zu reichen. Die politisch Verantwortlichen haben offenkundig noch immer nicht Ausmaß und Dramatik der Krise in der Reisewirtschaft verstanden.“ 

Tourismuswirtschaft übt ebenfalls Kritik

Auch die Verbände der Tourismuswirtschaft, zu denen unter anderem der Internationale Bustouristik Verband RDA, der Verband Internet Reisevertrieb (VIR), das Forum Anders Reisen, der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO), die Allianz selbständiger Reiseunternehmen (ASR), der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) sowie der Deutsche Tourismusverband (DTV) gehören, kritisieren das Konjunkturprogramm. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mahnen sie, die direkten Finanzhilfen und Mehrwertsteuersenkung seien nur ein kleiner Schritt, um Existenzen und Arbeitsplätze zu sichern. Vielen touristischen Unternehmen drohe jedoch weiterhin der Kollaps.

Auch wenn das Konjunkturprogramm einige kleinere positive Elemente enthalte, sei es jedoch nicht der angekündigte große Wurf, heißt es. Ob Finanzhilfen und Mehrwertsteuersenkung eine gewünschte Wirkung entfalteten, sei zweifelhaft. Zudem müssten noch viele offene Fragen geklärt werden, am dringlichsten sei eine Lösung für die Kundengeldrückzahlungen der stornierten Veranstalterreisen.

Im Hinblick auf dieses Problem fordern die Unterzeichner einen ergänzenden kreditbasierten Rückzahlungsfonds für die geleisteten Kundengelder. Aus diesem sollten Unternehmen vorübergehend Geld entnehmen können, um ihren Kunden bereits gezahlte Gelder für pandemiebedingt stornierte Reisen rück zu erstatten. „Nur wenn den Unternehmen diese notwendige Liquidität garantiert wird, kann ihr Überleben nachhaltig gesichert werden. Und deshalb werden wir nicht nachlassen, einen solchen Kreditfonds einzufordern.“

Darüber hinaus fordern die Unterzeichner die Ausweitung der nicht rückzahlbaren Überbrückungshilfen auf sieben Monate. Eine Hilfe für lediglich drei Monate sei nicht ausreichend.

Die Politik verkenne weiterhin die dramatischen Auswirkungen der Pandemie auf den gesamten Tourismus, kritisieren die Verbände. „Die Große Koalition muss deutlich nachbessern.“

Ute Fiedler
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