Reisevertrieb

Überbrückungshilfe: Nachbesserungen gefordert

Die EU-Beihilferegelung zur Überbrückungshilfe wird fatale Auswirkungen auf sämtliche Unternehmen der Touristikbranche haben, befürchten Experten

Die EU-Beihilferegelung zur Überbrückungshilfe wird fatale Auswirkungen auf sämtliche Unternehmen der Touristikbranche haben, befürchten Experten. Foto: grafner/istockphoto

Die EU-Beihilferegelung zur Überbrückungshilfe wird fatale Auswirkungen auf sämtliche Unternehmen der Touristikbranche haben, befürchtet Jochen Balduf, Chef des Beratungsunternehmens für Touristik One World Consulting. Gemeinsam mit Steuerberatern, Veranstaltern und Reisebüros hat er die Beihilferegelung, die Mitte Dezember 2020 in die FAQ unter Punkt 4.16 zur Überbrückungshilfe aufgenommen worden ist, analysiert. „Die Umsetzung ist insbesondere für Touristikunternehmen verheerend“, schreibt Balduf in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und fordert dringend klare Nachbesserungen.

Durch die Regelung sind laut dem Touristikexperten Provisionen und Margen durchs Hintertürchen kassiert worden. Unternehmer können für die Überbrückungshilfe II lediglich Fixkosten geltend machen, die unabhängig von der „Ausbringungsmenge“ entstehen, „sprich, die nichts mit dem Umsatz zu tun haben“, erläutert Balduf. „Das bedeutet konkret, dass weder Provisionsrückzahlungen, Stornogebühren, gezahlte Leistungen wie Airline-Tickets noch entgangene Margen angerechnet werden können.

Zahlreiche konkrete Fälle von Reisebüros und Veranstaltern haben Balduf und seine Kollegen analysiert. Einige Beispielrechnungen und der offene Brief sind unter dem Punkt „offener Brief Ü2 Peter Altmaier“ auf der Homepage von One World Consulting zu finden. „Es gibt keinen, der von dieser Änderung nicht betroffen ist. Und es geht nicht um Peanuts. Im härtesten Fall stehen Kürzungen von 200.000 Euro im Raum, die, wenn das Unternehmen die Überbrückungshilfe II bereits erhalten hat, Ende 2021 zurückgezahlt werden müssen.“

Fatal ist Balduf zufolge ein weiterer Punkt der Beihilferegelung: Unternehmer können zwar Fixkosten ansetzen, jedoch nur ungedeckte, die weder durch Einnahmen noch „aus anderen Quellen, zum Beispiel andere Beihilfen“ gedeckt sind, heißt es in den FAQ. „Konkret bedeutet das, dass auch KfW-Kredite nicht anrechnungsfähig sind. Kredite werden so quasi Einnahmen gleichgestellt“, kritisiert Balduf. Dies sei eine Ohrfeige für diejenigen, die mit viel Mühe einen Kredit beantragt haben, um ihr Unternehmen zu retten.

Durch die Beihilferegelung seien Reisebüros und Reiseveranstalter mehr denn je in ihrer Existenz bedroht, da die Überbrückungshilfe II kompromisslos zusammengestrichen werde. „Wir fordern von der Politik, dass Unternehmen der Touristik ihre echten Verluste geltend machen können und dass Kredite ausgeklammert werden.“ Geschehe dies nicht, werde es zu einem bösen Erwachen kommen. „Für viele meiner Mandanten werde ich dann gar keinen Antrag zur Überbrückungshilfe II mehr stellen können, sondern werde Insolvenz beantragen müssen.“

Balduf appelliert an Unternehmer, die bereits finanzielle Hilfen erhalten haben, Gelder zurückzustellen und wachsam zu sein. Die Verbände und Unternehmer mit guten Kontakten zur Politik fordert er auf, umgehend aktiv zu werden. Anträge zur Überbrückungshilfe II können nur noch bis 31. Januar 2021 gestellt werden.

Ute Fiedler