Reisevertrieb

Stationäre Reisebüros bleiben eine Macht

Wenn der Tourismus wieder anspringt, werden Reisebüros ihre starke Stellung im Vertrieb halten

Wenn der Tourismus wieder anspringt, werden Reisebüros ihre starke Stellung im Vertrieb halten. Foto: mg

Trotz der dramatischen Umsatzeinbrüche und einem ungewissen Jahr 2021 bleiben klassische Reisebüros eine Macht im deutschen Tourismus. Maßgebend dafür sind vor allem zwei Dinge: Die Zahl der Reisebüro-Schließungen ist bis dato deutlich geringer als befürchtet. Und die technische Entwicklung ist rasant.

Das hat nicht nur mit den Omnichannel-Konzepten der Reisebüro-Ketten- und Kooperationen zu tun, die zum Teil bereits vor Jahren gestartet wurden und jetzt unter anderem von Organisationen wie Best-Reisen, TSS, Schmetterling, Derpart, LCC sowie der RTK-Familie mit Reiseland und TUI Travel Star vorangetrieben wurden.

Schub bei der Digitalisierung

Noch wichtiger ist, dass viele Reisebüros das Thema Digitalisierung aufgrund der Krise wesentlich aktiver angehen. „Es bewegt sich was – und es muss sich auch etwas bewegen“, sagt etwa der Reisebüro-Inhaber Helge Wengenroth vom Reisecenter Neuenstadt und verweist auf Digitalberatung, eine bessere Verknüpfung von On- und Offline sowie das Nutzen künstlicher Intelligenz sowohl im Marketing als auch in der Beratung.

Offen ist, wie viele Reisebüros nach der Krise noch am Start sind. Die Antwort hängt auch davon ab, wann und in welcher Form das Geschäft wieder anspringt. Fakt ist: Wenn im Frühjahr kein Buchungsschub kommt, werden viele touristische Unternehmen das Jahr nicht überstehen.

Noch aber gibt es gerade für Reisebüros Gründe, optimistisch zu sein. Viele inhabergeführte Büros haben 2020 einen enormen Durchhaltewillen gezeigt, zum Teil neue, ergänzende Geschäftsmodelle entwickelt und extrem viel Kundenarbeit geleistet.

Filialnetze nahezu unverändert
Auch die Ketten der großen Veranstalter haben kaum Filialen abgebaut. Das hat mit der Erkenntnis zu tun, dass diese Büros bei einem Neustart nicht zu ersetzen sind. Zwar sitzen auch die großen Online-Portale in den Startlöchern, der stationäre Vertrieb ist durch seine Präsenz und Beratungsqualität aber nach wie vor nicht zu ersetzen.
  
Besonders hart hat es 2020 mittelständische Reisebüro-Ketten getroffen, die von der Unterstützung der Regierung nur wenig profitierten. So musste die Fahrenkrog-Kette mit ihren sechs Filialen und 70 Beschäftigten Insolvenz anmelden Auch das Reisebüro Bühler mit insgesamt 220 Mitarbeitern in 31 Reisebüros in Niedersachsen, Hessen und in Baden-Württemberg überlebte das Jahr nicht.

NTRV-Kette investiert in neue Büros
Glück im Unglück hatten unter anderem 26 der 42 Filialen der insolventen Reisebüro-Kette STA: Sie wurden von der neuen Reisebüro-Kette New Travel Reisebüro Vertrieb (NTRV) übernommen. Diese gehört zu gleichen Teilen dem Consolidator Aerticket und der Reisebüro-Kooperation AER und will weiter wachsen: „Trotz der schwierigen Situation, oder gerade deshalb, glauben wir an die Zukunft der Reisebüros“, zeigt sich AER-Vorstand Rainer Hageloch überzeugt.

Galeria Reisen: Ende und Neustart  
Vom Markt verschwunden sind diverse Karstadt-Büros und die als Galeria Reisen neu gestarteten früheren Filialen von Thomas Cook. Immerhin: 25 von ihnen wurden von DER Touristik übernommen und sind nun Teil der DER-Kette. Rund 80 Agenturen schlossen ihre Türen jedoch für immer. Ironie der Geschichte: Der nach wie vor in der Bredouille steckende Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof benennt seine Karstadt-Büros nun in Galeria Reisen um. Der Grund für das Comeback des Namens ist unbekannt.

Mobiler Vertrieb als Alternative
Einen starken Schub erhält unterdessen der mobile Vertrieb, denn nicht alle Reiseverkäufer aus geschlossenen Büros wandern in andere Branchen ab. Zu den neuen Anbietern gehören unter anderem die FTI-Kette TVG mit ihrem Flexpi-Konzept sowie drei Marken der neu gegründeten Rita AG: Mein Urlaubsglück, AER Mobile sowie Travelista von LCC.

Mit ihnen dürfte der bisherige Umsatz im mobilen Vertrieb – er lag Schätzungen zufolge 2019 bei rund 200 Millionen Euro – kräftig anwachsen. Denn auch die bestehenden Anbieter erfreuen sich aktuell an einem Zuwachs neuer Berater. Zu ihnen gehören neben dem Marktführer TLT Urlaubsreisen mit den Marken Take Off, Feria und Holiday Profis in erster Linie die Spezialisten Amondo und Solamento sowie die mobilen Vertriebsschienen der Reisebüro-Kooperationen TSS, Schmetterling und Protours.

Matthias Gürtler
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