Reisevertrieb

Ü III: Ministerium zweifelt VUSR-Gutachten an

Das Bundeswirtschaftsministerium hat "erhebliche Zweifel" an der rechtlichen Belastbarkeit des Rechtsgutachtens des Reisebüro-Verbands VUSR

Das Bundeswirtschaftsministerium hat "erhebliche Zweifel" an der rechtlichen Belastbarkeit des Rechtsgutachtens des Reisebüro-Verbands VUSR. Foto: fstop123/iStockphoto

Kam der Jubel zu früh? Eine Antwort darauf gibt es noch nicht. Aber die Ausgangslage hat sich deutlich verschlechtert: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) hat an der rechtlichen Belastbarkeit des vom Reisebüro-Verband VUSR in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens „erhebliche Zweifel“ geäußert. 

Die nüchterne Mitteilung des Ministeriums nach einem entsprechenden  Artikel von touristik aktuell (siehe auch Titelseite der aktuellen Ausgabe): Es gebe keine Bestätigung, „dass Reisebüros im Rahmen der Überbrückungshilfe III eine Pauschale von 75 Euro pro stornierter Reise als externe Ausfallkosten geltend machen können“, teilte das Ministerium mit. Nachfragen, worin die Zweifel bestünden, blieben bislang unbeantwortet.

Seit Monaten kämpft der Reisebüro-Verband VUSR hinter den Kulissen dafür, dass Forderungen von Reisebüros gegenüber Veranstaltern im Zuge der entstandenen Mehrarbeit als Grundlage für sogenannte externe Ausfallkosten in der Überbrückungshilfe III von Steuerberatern anerkannt werden.

Gutachten mit klarem „Ja“
Bislang hatte sich das Ministerium laut VUSR-Chefin Marija Linnhoff dazu nicht geäußert. Erst mit dem Rechtsgutachten, in dem Gutachter Roosbeh Karimi und seine Kollegen zu dem Schluss kamen, die Rechnungen könnten als externe Ausfallkosten angesetzt werden, kam Bewegung in die Sache – jedoch anders als erhofft.

Entsprechend wütend ist Linnhoff. In Berlin wisse man seit Monaten um die Thematik und habe positive Signale gesendet, sagt sie. Eine Stellungnahme seitens des BMWI liege bislang weder ihr noch Roosbeh Karimi vor. Man habe über die Presse von den „erheblichen Zweifeln“ erfahren. Aber aufgeben komme nicht infrage.

Karimi hat einen Offenen Brief verfasst, in dem er seine Verwunderung äußert. „Im Gutachten wird entgegen Ihrer Stellungnahme weder eine Pauschale von 75 Euro pro stornierter Reise gefordert, noch prüft das Rechtsgutachten die Zulässigkeit der Geltendmachung als externe Ausfallkosten“, schreibt der Jurist. 

VUSR wünscht juristische Debatte
Ob externe Ausfallkosten im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend gemacht werden können, haben allein vom Bund dazu beauftragte „prüfende Dritte“ wie Steuerberater zu prüfen. „Hierzu enthalten die ansonsten beinahe täglich aktualisierten FAQs zur Auslegung der Überbrückungshilfe III bisher keinerlei sachdienliche Hinweise“, kritisiert Karimi.

In Zeiten rechtlicher Unsicherheiten sei es wenig hilfreich, zu einem „Rechtsgutachten pauschal und ohne jegliche inhaltlich-rechtliche Bewertung abweisend Stellung zu nehmen, obgleich das Gutachten ansonsten bundesweit und parteiübergreifend Anklang gefunden hat“. Im Moment liege noch kein einziges rechtliches Gegenargument vor. „Einer konstruktiven juristischen Debatte auf Sachebene entziehen wir uns nicht“, zeigen sich Karimi und Linnhoff gesprächsbereit.

Doch nicht nur von dieser Seite gibt es Kritik am Vorgehen des Ministeriums. Unmut herrscht auch auf Seiten der prüfenden Dritten. Sören Schlosser vom Backoffice-Spezialisten TAA bemängelt, dass es noch immer keine Sicherheit im Hinblick auf die Rechnungsthematik gebe. Er und seine Kollegen hätten die von den Reisebüros gestellten Rechnungen als „relevant“ und „gerechtfertigt“ angesehen – auch aufgrund des vorliegenden Rechtsgutachtens des VUSR – und wollten diese als externe Ausfallkosten ansetzen. „Die Antragsvorlagen haben wir mit einem Zusatzschreiben versehen, das explizit auf den in diesem Zusammenhang gesetzten Betrag hinweist, damit die prüfende Stelle abschließend bewerten kann, ob diesem Posten stattgegeben wird“, sagt Schlosser.  

Ministerium bremst Steuerberater aus
Doch durch den Hinweis des BMWI erscheine ein Ansatz vorerst unwahrscheinlich, bedauert der TAA-Experte. Denn viel können Reisebüros in der ÜIII im Verhältnis zu Ü I und Ü II nicht mehr geltend machen. „Gut ist, dass die Personalkosten nun mit bis zu 100 Prozent erstattet werden“, sagt Schlosser.

Allerdings nutze das nur Reisebüro-Inhabern mit Angestellten, die nicht in Kurzarbeit waren. „Viele Soloselbstständige fallen durchs Raster.“ Ansetzbar seien zudem auch Abschreibungen mit 50 Prozent und stornierte Einzelleistungen – „allerdings nur für den Zeitraum November 2020 bis Juni 2021“, sagt Schlosser.

Reisebüros mit Eigenveranstaltungen können darüber hinaus ihre Kosten an Leistungsträger, die nicht erstattet wurden, als externe Ausfallkosten geltend machen – wie Veranstalter auch. Daher wird Kritik laut, dass Reisebüros dies nicht für ihre internen Ausfallkosten oder zumindest rückwirkend für die noch nicht angesetzten Vorgänge Provisionen und Service-Entgelte geltend gemacht werden dürfen. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, kritisieren zahlreiche Reiseverkäufer.

Die Ankündigung weiterer Änderungen der FAQ der Ü III kurz vor Ostern, wertet Schlosser als positives Zeichen – allerdings wieder nur für größere Unternehmen. „Die kommunizierten Änderungen wie Eigenkapitalzuschuss, Anschubhilfe und Erstattung der Fixkosten scheinen auf den ersten Blick für Reisebüros gut zu sein. Die genauen Auswirkungen zeigen sich jedoch erst bei der Berechnung der ersten Anträge. Da müssen wir erneut abwarten“, sagt Schlosser. 

TAA: Reisebüros sollten abwarten
Bislang haben Schlosser und seine Partner noch keine touristischen Anträge zur Ü III gestellt. Im Hinblick auf die Rechnungsstellung an die Leistungsträger empfiehlt er seinen Mandanten, diese auszusetzen. Sollten die Positionen aus den Rechnungen tatsächlich nicht anerkannt werden, so hätten Reisebüros im Fall von Rechnungsstellung einen enormen Liquiditätsabfluss ­– erzeugt durch das Abführen der Umsatzsteuer.

Das Problem: „Den Liquiditätsabfluss können sie aufgrund der ausbleibenden Förderung nicht wieder ausgleichen und haben zudem, im schlimmsten Fall, durch die Rechnungsstellung noch ihre Ü I und Ü II kaputt gemacht“, sagt er.

Sollten schon Rechnungen gestellt worden sein, werde man diese unter Ausweis des Betrags versuchen anzusetzen – solange ein Ausschluss dieser beispielsweise nicht offiziell, durch Änderung der FAQ, vorgenommen wurde, so Schlosser.

Tatsächlich hat das BMWI am Donnerstagabend weitere Änderungen der FAQ bekanntgegeben, die der DRV begrüßt. Das Thema Rechnungen taucht bislang nirgendwo auf. Die Verunsicherung bleibt bestehen.

Ute Fiedler
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