Reisevertrieb

Reisebüros: Sechs Monate nach der Katastrophe

„Wir schaffen auch das." Mit diesen Worten hatte sich Henrike Kammerer nach der Hochwasserkatastrophe an ihre Kunden gewandt. Sie behielt recht: Sechs Monate später hat sich für sie alles zum Guten gewendet

„Wir schaffen auch das." Mit diesen Worten hatte sich Henrike Kammerer nach der Hochwasserkatastrophe an ihre Kunden gewandt. Sie behielt recht: Sechs Monate später hat sich für sie alles zum Guten gewendet. Foto: Henrike Kammerer

Zehn Jahre lang hat Henrike Kammerer das Alltours Reisecenter in Wittlich geführt. Dann kam das Hochwasser

Zehn Jahre lang hat Henrike Kammerer das Alltours Reisecenter in Wittlich geführt. Dann kam das Hochwasser. Foto: Privat

Bernd Piel arbeitet seit der Flutkatastrophe nur noch von zu Hause aus und macht eine Ausbildung zum Rettungssanitäter

Bernd Piel arbeitet seit der Flutkatastrophe nur noch von zu Hause aus und macht eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Foto: Privat

Es war ein Mittwochnachmittag im Juli 2021, als Bernd Piels Leben gehörig aus den Fugen geriet. Die Hochwasserkatastrophe in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte den 60-jährigen Reisebüro-Inhaber in Stolberg eiskalt erwischt. Wasser- und Schlammmassen hatten sein Ladenlokal verwüstet und es komplett zerstört. 

Piel war damals bei Weitem nicht der einzige Unternehmer aus der Touristikbranche, der sich von jetzt auf gleich vor den Trümmern seiner Existenz sah. Auch Henrike Kammerer, Inhaberin eines Alltours Reisecenter im rheinland-pfälzischen Wittlich, hatte das gleiche Schicksal ereilt. 

Das Credo der Betroffenen: „Aufgeben gilt nicht"

Sechs Monate sind seitdem vergangen. Viel hat sich getan, berichten die beiden Reiseexperten, die trotz der schwierigen, herausfordernden Zeiten ihren Optimismus nie verloren haben. Ihr Appell an die Branche: „Aufgeben gilt nicht“. 

Henrike Kammerer erreichen wir telefonisch im Urlaub auf Boavista. Dass sie beim Sprechen lächelt, merkt man deutlich. Ihr gehe es richtig gut. Sie genieße ihren Unruhestand. Ihren Unruhestand? „Ich habe mein Reisebüro verkauft“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich habe unfassbar großes Glück gehabt.“

Tatsächlich wendete sich für Kammerer innerhalb weniger Monate alles zum Guten: Kurz nach der Katastrophe hatten sie und ihr Team bereits neue Räume für ihre Agentur gefunden. Ende Juli wurde neu eröffnet. „Und dann kam kurze Zeit später das Angebot eines Kollegen, der unbedingt das Büro übernehmen wollte. Da musste ich nicht lange überlegen“, sagt die 66-Jährige. Zum 1. November war die Übergabe erfolgt. „Am 1. Dezember begann dann mein regulärer Rentenanspruch. Welch ein kurioser Zufall. Ich hatte mich aufgrund von Corona und der Katastrophe eigentlich schon damit abgefunden, deutlich länger arbeiten zu müssen.“ 

Henrike Kammerer verkaufte kurzerhand ihr Alltours Reisecenter

Kammerer ist spürbar zufrieden, nicht zuletzt, weil sie ihr Büro in guten Händen weiß. „Alle Mitarbeiterinnen wurden übernommen und meine Agentur wird gut weitergeführt.“

Und auch für ihren Unruhestand hat sie viele Pläne, denn sie bleibt der Branche weiter treu und betreut für eine Kollegin und Freundin deren Social-Media-Reisebüro-Auftritt. „Das macht großen Spaß. Ich habe in diesem Jahr noch so viele Reisen geplant.“ 

Auch Bernd Piel aus Stolberg hat große Pläne

Anders, jedoch nicht weniger optimistisch erzählt Bernd Piel von den vergangenen Monaten. Er wird sein Büro nicht wieder eröffnen, sondern von zu Hause aus arbeiten. Viele Stammkunden hätten ihm die Treue gehalten und ihn unterstützt, sagt er. Und auch einige Veranstalter wie LMX. „Mario Krug ist auf mich zugekommen und hat mir finanziell unter die Arme gegriffen. Das hatte ich nicht erwartet“, sagt Piel. 

Auch, wenn er das Geschehene mittlerweile gut verarbeitet und wieder Fuß gefasst hat, so hat der Reiseexperte eine weitreichende Entscheidung getroffen: Er macht derzeit eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. „Das hatte ich schon seit meiner Zeit bei der Bundeswehr im Hinterkopf. Jetzt mache ich einen Neuanfang, mit 60. Dafür ist es nie zu spät“, sagt er und lacht. 

Ganz die Tourismusbranche verlassen will er nicht. Dafür habe er in den vergangenen 42 Jahren in der Touristik zu viel Schönes erlebt. Gute Zeiten, die hoffentlich bald wiederkommen. 

Ute Fiedler