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Insolvenz von Thomas Cook: Fragen und Antworten

Nach dem Insolvenzantrag von Thomas Cook geht es in diesen Tagen um die Zukunft der deutschen Veranstaltermarken Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher und Air Marin. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten für Sie zusammengestellt – insofern wir beziehungsweise Thomas Cook, Reiserechtler oder die Zurich Versicherung die Antworten liefern konnten.

 

Wie viele Kunden sind betroffen?

Mit den deutschen Veranstaltern waren zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags etwa 140.000 Gäste unterwegs. Zudem soll es rund 660.000 bestehende Buchungen geben, berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Zunächst war lediglich von 150.000 bestehenden Buchungen die Rede.

 

Was wird aus den bestehenden Buchungen?

Thomas Cook Deutschland hat die Reisen aller Veranstaltermarken mit Abreisedatum bis einschließlich 31. Dezember 2019 abgesagt. Diese Reisen könnten – auch wenn sie teilweise oder gänzlich bezahlt wurden – aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht angetreten werden, heißt es. Die davon betroffenen Gäste würden so schnell wie möglich von den Veranstaltern informiert. Dies gilt für die Marken Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin sowie für über Thomas Cook International gebuchte Leistungen. Hatten Kunden eine Pauschalreise gebucht, erhalten sie ihr Geld über die Insolvenzversicherung zurück. Im Fall von Thomas Cook ist dies die Zurich Versicherung beziehungsweise ihr deutscher Dienstleister Kaera. Bei ihm muss folgendes eingereicht werden:

- Vollständige Buchungsbestätigung

- Nachweis über Anzahlung des Reisepreises

- Nachweis über Restzahlung

- Erklärung und Unterschriften der Reisenden zur Zahlung der Kundengelder

- Sicherungsschein

 

Wie erreiche ich Kaera?

Unter www.kaera-ag.de ist ein Formular zur Geltendmachung der Ansprüche verlinkt. Es werden nur Anträge bearbeitet, bei denen die Unterlagen vollständig vorliegen.

 

Was ist mit Reisen nach dem 31. Dezember?

Für diese Buchungen bestehen die Reiseverträge weiter. Diese Kunden müssen vorerst Geduld haben und die Entscheidung des Insolvenzverwalters abwarten. Sie sollten keine Ersatzreise buchen, denn im Fall der Fälle haben sie dann zwei gültige Buchungen.

 

Was sollten Kunden vor Ort tun?

Wenn der Hotelier vor Ort eine Zahlung fordert, müssen Kunden dem wohl nachkommen. Der DRV hat zwar die Tourismusministerien der Zielgebiete darauf hingewiesen, dass die Zurich Versicherung für alle Kosten aufkommt. Doch ob die Hotels tatsächlich informiert werden und der Zusage glauben, ist ungewiss. Werden Cook-Kunden vor Ort zur Kasse gebeten, sollten sie auf eine Quittung bestehen. Die Rechnung wird dann von der Zurich erstattet.

 

Was ist, wenn ein Rückflug abgesagt wird?

Condor hat zugesagt, alle Cook-Kunden zurückzubefördern. Sollte eine Airline sich weigern, Kunden zurückzufliegen, muss sich der Pauschalreisende an die Cook-Vertretung vor Ort wenden. Keinesfalls sollte ein Rückflug auf eigene Faust gebucht werden, da dieser nicht zwangsläufig von der Versicherung gezahlt wird. Bausteinkunden müssen sich selbst um den Rückflug kümmern.

 

Wie ist die Situation bei Cook-Kunden, deren Urlaub vorzeitig zu Ende ging?

Bei Abbruch des Urlaubs muss der Preis anteilig für die nicht erbrachten Leistungen zurückgezahlt werden.

 

Was ist mit Bausteinkunden?

Reisen sind bis 31. Dezember 2019 abgesagt. Kunden, die von der Insolvenz der Thomas Cook International AG (TCI) betroffen sind und deren Reisen nicht durch einen Sicherungsschein abgesichert sind, können ihre Forderungen bei der Konkursverwaltung anmelden. Auf der Homepage des Konkursamtes Höfe (siehe hier) steht ein Formular zur Verfügung. Entsprechende Belege müssen beigefügt werden. Hier finden sich auch weitere Informationen.

Kunden, die eine Reise über die deutschen Veranstaltermarken gebucht haben, die nicht durch einen Sicherungsschein abgesichert ist, können mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Wann dies der Fall sein wird, ist noch ungewiss. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird öffentlich bekannt gegeben.

Im Falle von Ausnahmen wie beispielsweise Linienflügen, die dennoch angetreten werden können, wird Thomas Cook die betroffenen Kunden aktiv informieren.

 

Reicht das Geld aus der Insolvenzversicherung?

Das Geld wird nicht reichen. Im Topf des Insolvenzabsicherers Zurich sind 110 Millionen Euro. Diese Summe steht entgegen bisheriger Informationen nicht allein für Thomas Cook zur Verfügung, sondern für alle bei der Zurich versicherten Veranstalter.

Das heißt: Die Kundengelder der als eigenständige GmbH organisierten Veranstalter Öger Tours und Bucher sind im gleichen Topf wie die Kundengelder von Neckermann Reisen, Thomas Cook Signature und Air Marin sowie die von Tour Vital. Der Rundreisespezialist meldete am 27. September Insolvenz an und gehört zwar seit einem Jahr nicht mehr zur Thomas Cook, ist aber auch über die Zurich versichert.   

Hinzu kommt, dass sich die Absicherungssumme von 110 Millionen Euro durch den Wechsel vom laufenden Geschäftsjahr in das neue Geschäftsjahr ab 1. November nicht verdoppelt: „Für die bereits ausgegebenen Sicherungsscheine gilt der Stichtag der Insolvenz – auch wenn die Reise erst im November oder danach stattfinden sollte“, heißt es von der Zurich Versicherung auf Anfrage von touristik aktuell.

Ansprüche auf Schadenersatz haben rund 140.000 Gäste, die ihre Reise bereits voll gezahlt hatten. Hinzu kommen 600.000 Vorausbuchungen, bei denen im Schnitt 20 Prozent des Reisepreises angezahlt wurden.

 

Was passiert mit offenen Rechnungen beziehungsweise Provisionsforderungen?

Insolvenzanwalt Volker Römermann kann nur wenig Hoffnung machen: Vorerst seien keine Zahlungseingänge für offene Rechnungen zu erwarten. Die offenen Beträge müssten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Erkennt dieser die Forderungen an, werden sie bei der Verteilung (wenn es dazu kommt) mit einer Quote bedacht. Die liege hierzulande allerdings bei „jämmerlichen 2,9 Prozent“, berichtet Römermann. Das bedeutet: Wer als Gläubiger 100 Euro zu bekommen hätte, erhält am Schluss nur 2,90 Euro.


An wen wenden sich betroffene Reisebüros?

Als Insolvenzverwalter wurden Ottmar Hermann, Julia Kappel-Gnirs und Fabio Algari bestellt. Sie sind Partner der Kanzlei Hermann Wienberg Wilhelm in Frankfurt am Main.


Gibt es zum Thema Provisionen politischen Druck durch die Verbände?

Ja. Der DRV ist hinter den Kulissen zu diesem Thema aktiv, der ASR sogar öffentlich: Der Mittelstandsverband hat alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags inklusive Wirtschaftsminister Altmaier und Tourismus-Staatssekretär Bareiß angeschrieben und auf die schwierige Situation der Reisebüros aufmerksam gemacht. „Die Bauern bekamen von Bund und Ländern 2018 Hilfe in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro, weil unverschuldet die Ernte geringer ausfiel“, schreibt der ASR und setzt fort: „Reisebüros haben den gleichen moralischen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen ebenso unverschuldet die Provisionseinnahmen wegbrechen.“

 

Müssen Reisebüros eventuell sogar Provisionen zurückzahlen?

Dazu gibt es von Rechtsexperten keine klare Aussage. Laut Rechtsanwalt Hanjo Vogel von der Düsseldorfer Kanzlei Beiten Burkhardt besteht diese Gefahr durchaus, der Fall ist aber eher unwahrscheinlich. Das Gesetz sieht im Falle einer Insolvenz vor, dass bereits gezahlte Provisionen unter bestimmten Bedingungen bis zu drei Monate rückwirkend zurückgefordert werden können. Möglich sei dies etwa, wenn sich eine Zahlungsunfähigkeit angedeutet habe. Dies sei bei Cook nicht der Fall gewesen, schließlich habe der Konzern Provisionen immer pünktlich überwiesen, so Vogel.

Auch sonst ist der Rechtsanwalt bei diesem Thema optimistisch: Ein Insolvenzverwalter versuche immer, eine Firma wieder zum Laufen zu bringen. Dies könne bei Thomas Cook jedoch nicht gelingen, wenn zuvor der Vertrieb aufgrund von Rückforderungen bereits gezahlter Provisionen kaputt gemacht würde.

 

Müssen Reisebüros Haftungsansprüche von Kunden befürchten?

Der Vertrag zwischen Reisendem und Reisebüro wird als Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter gesehen. Hinsichtlich der Bonität des Leistungsträgers bestehen laut Reiserechtler Volker Römermann keine grundsätzlichen Infopflichten der Vermittler hinsichtlich des Insolvenzrisikos der Reiseveranstalter. Allerdings: Ist dem Reisebüro die drohende Insolvenz bewusst, besteht nach Rechtsprechung einiger Instanzgerichte eine Aufklärungspflicht. Es könnte also durchaus zu Rechtsstreitereien kommen.

 

Was wird aus den Reisebüro-Filialen von Thomas Cook?

Die Zukunft der 125 Filialen ist völlig offen, eine Entscheidung darüber muss der Insolvenzverwalter treffen. Zu erwarten ist, dass die Filialen vorerst weiterbetrieben werden.

 

Ist die Vertriebstochter, zu der auch die Franchiser gehören, ebenfalls insolvent?

Nein. Davon abgesehen sind die rund 250 Franchise-Büros der Marken Thomas Cook und Holiday Land selbständige Unternehmer. Sie können auch ohne den Konzern überleben und eventuell anderen Franchise-Systemen beitreten. Ob ein Wechsel unter den neuen Umständen ohne Kündigungsfrist möglich ist, entzieht sich der Kenntnis der ta-Redaktion.


Was wird aus der Alpha-Kooperation?

Die Kooperation mit den beiden Schienen Neckermann Reisen Team und Partner ist ein Joint Venture von Thomas Cook und RT-Reisen. Der Vertrag für die Reisebüros gilt vorerst unverändert, ein besonderer Kündigungsgrund liegt durch die Cook-Insolvenz offenbar nicht vor. Offen ist, was aus dem 50-Prozent-Anteil von Thomas Cook wird.


Braucht der Konzern noch Reisebüros?

Ja, unbedingt: Wollen Neckermann & Co neu starten, ist man auf den stationären Vertrieb, vor allem auf den Eigenvertrieb, angewiesen.


Was wird aus den Hotel-Eigenmarken von Thomas Cook?

Ihre Zukunft ist sehr wackelig. Die Ideen für die Konzepte dürften weiterleben, die Marken dürften sterben. Für die Inhaber der jeweiligen Hotels ist die aktuelle Situation eine Katastrophe: Sie leben derzeit ausschließlich von Kunden, die etwa über Booking kommen. Wie hoch die finanziellen Außenstände sind, ist nicht bekannt. Fest steht, dass sie Kunden gegenüber bislang sehr kulant waren. „Cook-Kunden, die bei uns dieser Tage einchecken, müssen auf keinen Fall nochmals den Reisepreis bezahlen. Unser Hotelbetrieb funktioniert wie vorher auch“, sagt etwa Iraklis Andrianakis vom Cook‘s Club Chersonissos. Allerdings ist für ihn die Saison ohnehin gelaufen: Die Anlage geht am 30. September in die Winterpause. Ob sie je als Cook’s Club wiederöffnet, steht in den Sternen.

 

Droht jetzt eine Pleitewelle unter den deutschen Veranstaltern?

Nein, zumindest nicht, solange Condor weiterfliegt. Die Pauschalreise wird auch künftig das zentrale Produkt der deutschen Reiseindustrie sein. Und die anderen Großveranstalter, allen voran TUI und DER Touristik, sind finanziell absolut solide aufgestellt. Auch FTI steht nach dem Einstieg von Samih Sawiris vor fünf Jahren Jahren auf stabilen Füßen. Das gleiche gilt für die familiengeführten Unternehmen Alltours und Schauinsland-Reisen. Alltours etwa hat jedes Jahr seines Bestehens Gewinn abgeworfen. Auch Schauinsland arbeitet gewinnbringend.


Wie geht es jetzt weiter?

Die Deutschland-Chefin von Thomas Cook, Stefanie Berk, sprach in der vergangenen Woche von „aussichtsreichen Gesprächen mit Investoren“. Interesse dürften sie vor allem an den Marken Neckermann Reisen und Öger Tours haben. Bereits jetzt steht allerdings fest: Die bisherige Rolle von Thomas Cook in Deutschland wird das Unternehmen mittelfristig nicht mehr einnehmen. Damit ist DER Touristik fortan die klare Nummer zwei im deutschen Markt.


Was wird aus den Mitarbeitern?

Sie erleben schwere Stunden und Tage. Ihr Gehalt ist aktuell gesichert – im Fall eines Insolvenzverfahrens übernimmt das Arbeitsamt die Zahlung. Langfristig wird Thomas Cook um Kündigungen nicht herumkommen. Wie groß diese ausfallen, hängt vom Zeitpunkt und der Form des Neustarts ab.

 

Was ist der Hintergrund des Dramas?

Die Ursache liegt im Größenwahn früherer Manager, darunter der damalige Karstadt-Chef Thomas Middelhoff. Er hatte den Traum, die deutsche Thomas Cook AG zu einem der weltgrößten Player im Tourismus zu machen. Nahezu zeitgleich zur Fusion von TUI und First Choice fusionierte Thomas Cook Deutschland deshalb mit dem britischen Veranstalter My Travel. Karstadt Quelle übernahm 52 Prozent an der neuen Gesellschaft, die Aktionäre von My Travel 48 Prozent. Das war eine absolute Fehlbewertung, My Travel war schon damals ein Sanierungsfall ohne großen Wert. Zuvor hatte der deutsche Warenhauskonzern den 50 prozentigen Anteil der Lufthansa an Thomas Cook übernommen. Die Überbewertung von My Travel musste anschließend Jahr für Jahr abgeschrieben werden, zuletzt 2018 mit über einer Milliarde Euro. Heute gesteht Middelhoff: „Ich habe Todsünden begangen.“